0209 - Die Gruft mit dem Höllenauge
gekommen. Der Drang, auf den Friedhof zu laufen, steigerte sich in ihnen und wurde unheimlich. Sie kamen an dieses Grab, weil ich sie führte. Sie schauten durch das Auge, und sie sahen hinein in die schreckliche Hölle, wo sich das abspielte, was sie zuvor geträumt hatten. Die Gruft mit dem Höllenauge wurde auch für sie zum Schicksal. Zur alles entscheidenden Wende, denn die Alpträume, die ich schicke, werden sie im Leben nie mehr los.«
Horace F. Sinclair glaubte ihm jedes Wort, so unwahrscheinlich dies auch klang, aber dieses Wesen hatte einfach keinen Grund zur Lüge.
Allein seine Existenz war grausame Tatsache genug, warum sollte es dann noch lügen?
Trotz der Angst, die Sinclair umklammert hielt, hatte er seinen analytisch geschulten Verstand nicht verloren. Er dachte über die Sätze nach, und er stellte auch Fragen, weil er alles genau wissen wollte.
»Warum wurde der Pilot gefangen? Hatte auch er Alpträume?«
»Nein, aber in dieser Nacht wollte ich eine andere Seite meiner Macht demonstrieren. Wen die Gruft mit dem Höllenauge einmal in ihren Klauen hält, den läßt sie so leicht nicht mehr los, das kannst du mir glauben. Und er, der Pilot, wird für alle Ewigkeiten gefesselt sein, denn der Stein ist mit dem Atem des Teufels gefüllt und voll aufgeladen mit schwarzer Magie.«
Nach diesen Worten war es still. Sogar so still, daß Horace F. Sinclair Stimmen vernehmen konnte. Über ihm waren sie aufgeklungen. Auf der Platte tat sich etwas. Da waren Menschen. Vielleicht wollten sie ihm helfen? Aber würden sie es schaffen? Konnten sie tatsächlich stärker als die unheimliche Magie der Hölle sein?
Ein tiefes Knurren klang aus dem Sarg, danach ein röchelndes Pfeifen, und im nächsten Augenblick sah Horace F. Sinclair einen Schatten, der über den Sargrand quoll.
Der Alp kam!
Da verlöschte das Feuerzeug. Sinclair war nervös. Sein Daumen war feucht geworden und abgerutscht. Der Mann schaffte es nicht mehr, den Kontakt festzuhalten, der das Gas weiterhin aus der Düse strömen ließ.
Dunkelheit.
Darin ein Wispern, Lachen und Schmatzen. Der Alp freute sich. Er würde töten, brauchte dem anderen nicht nur die bedrückenden Träume zu bringen, sondern konnte endlich selbst zuschlagen.
»Horace F. Sinclair«, raunte es in der Dunkelheit. »Jetzt bist du an der Reihe. Keiner wird dir helfen. Keiner…«
Der Anwalt versuchte alles. Seine zitternden Hände wollten das Kontaktrad wieder in Schwung bringen. Die Dunkelheit war am schlimmsten. Er wollte seinen Gegner sehen, denn der heimtückische Überfall aus der Dunkelheit machte ihm noch mehr Angst.
Endlich fuhr die Flamme wieder hoch. Ihr Lichtkreis breitete sich aus und erfaßte auch die steinernen Wände, wo sofort allerlei Getier aufgeschreckt versuchte, in Spalten und kleine Ritzen zu kriechen.
Der Alp hatte den Sarg verlassen.
Über der Totenkiste schwebte er. Ein schwarzer ovaler Klumpen mit glühenden Augen, die dem Opfer den Tod prophezeiten. Wie er töten wollte, das wußte Horace F. Sinclair nicht, er konnte sich allerdings vorstellen, daß der andere einige Möglichkeiten besaß, denn er hatte die Unterstützung der Hölle.
Der Satan stand auf seiner Seite.
Und er kam. Lautlos schwebte er näher. Dicht unter der Decke bewegte er sich, wobei sich seine Form veränderte und länger wurde. Schon bald erinnerte er an einen zu dick gewordenen Aal oder an eine schwarze Schlange mit grünen Augen, die sich zielstrebig ihrem Opfer näherte.
»Tod…«, wisperte es. »Ich bringe dir den Tod…«
Horace F. Sinclair wagte nicht, sich zu rühren. Seine Angst wurde riesengroß, und er bekam mit, wie der Alp seine Dichte veränderte.
Plötzlich war er nicht mehr so fest, keine kompakte Masse, sondern eher durchscheinend, dabei schon fast an einen Schatten erinnernd.
Sein Ziel war Horace F. Sinclair.
Ausweichen konnte dieser nicht mehr, er riß nur seine Hände hoch, die Flamme verlöschte.
Dunkelheit!
Und zwei schillernde grüne Augen, die für einen Moment in der Luft standen, dann hin und herwischten, so daß Sinclair nicht mehr genau wußte, wo sich sein Gegner befand, es jedoch merkte.
Auf einmal spürte er den Druck an seinem Hals. Und nicht nur an, sondern auch um seinen Hals.
Der Alp wollte ihn erwürgen!
Wie ein Blitzstrahl zuckte diese Erkenntnis in seinem Hirn auf. Bevor ihm jedoch die Luft abgeschnürt wurde, stieß er die abgehackten, gellenden Schreie aus…
***
Wir standen für einen Moment wie Denkmäler. Die Schreie
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