0209 - Die Gruft mit dem Höllenauge
aus der Gruft waren uns durch und durch gegangen. Dumpf klangen sie. Dumpf und unheimlich…
»John!« Suko zischte meinen Namen. »John, tu was, es kommt auf jede Sekunde an!«
Ja, das wußte ich selbst. Ich hatte trotzdem Angst. Es ging hier um meinen Vater. Ich fürchtete, daß die Magie des Kreuzes auch ihn treffen könnte.
Tief atmete ich durch.
Zwei Augenpaare beobachteten mich. Suko und Gordon Miller. Sie drückten mir die Daumen. Konnte ich das Unheil stoppen, das unsichtbar über diesem geheimnisvollen Gräberfeld lag?
Dann ließ ich das Kreuz fallen.
Es geschah ruckartig, zudem trennte es nur eine kurze Distanz von der Platte.
Ein klirrendes, leicht singendes Geräusch ertönte, als Kreuz und Steinplatte Kontakt bekamen. Die Platte mußte magisch aufgeladen sein, denn Miller hatte erzählt, wie sie sich bewegte. So etwas ging nicht mit normalen Mitteln.
Da geschah es!
Von der Steinplatte fuhr ein regelrechter Blitzstrahl in die Höhe. Etwa eine Handbreit von meinem Körper entfernt, zischte er in die Höhe, verästelte und wurde hoch über unseren Köpfen zu einem regelrechten Gespinst.
Suko und Gordon Miller verfolgten das helle Netz mit ihren Blicken, während ich mich auf die Grabplatte konzentrierte, denn dort sollte sich der Erfolg abzeichnen.
Rauch quoll mir entgegen. Er vernebelte auch die Sicht, so daß ich die Platte überhaupt nicht sehen konnte. Ich wedelte mit der Hand, um freie Sicht zu bekommen. Während dieser Tätigkeit hörte ich das Knirschen, als wären ungemein starke Kräfte dabei, die Steinplatte vor meinen Füßen zu zerbrechen.
Schafften sie es?
Ja, die Platte hielt dem Druck der Weißen Magie nicht stand. Sie löste sich vor meinen Augen auf, und ich bekam einen freien Blick in die Gruft, denn auch der Qualm verzog sich.
Ein schauriges Bild bot sich meinen Augen.
Ich sah meinen Vater halb auf dem Boden liegend. Seine Augen waren so weit aufgerissen, daß sie mich an Kugeln erinnerten. Auch der Mund stand offen, doch atmen konnte der alte Herr nicht, denn um seinen Hals hatte sich ein schwarzes Etwas geschlungen, das wie ein tödlicher Schal die Luft abwürgte.
Es dauerte wirklich nicht länger als eine Sekunde, um diesen Anblick aufzunehmen.
Und schon handelte ich.
Ich stieß mich ab und sprang in die Gruft hinein, wobei ich neben dem Sarg landete. Das Kreuz hielt ich fest umklammert, denn damit wollte ich dem Wesen zu Leibe rücken.
Mit einem Sprung schnellte ich auf meinen Vater zu, um ihn zu befreien.
Ich rechnete nicht mit der Schnelligkeit des Wesens. Urplötzlich löste es die Umklammerung, war wie ein Schatten und wischte an meinem Gesicht vorbei.
Obwohl mein rechter Arm zur Seite fuhr, war ich zu langsam. Das geweihte Kruzifix schaffte es nicht mehr, das seltsame Wesen zu berühren.
Ich spürte einen kalten Lufthauch, der dicht vor meinem Gesicht entlangfuhr; und als ich mich drehte, da hatte es bereits die Gruft verlassen.
Es zischte förmlich aus dem Grab und war verschwunden.
Sukos überraschter Ruf drang an meine Ohren. Danach ein Fluch, der mir bewies, daß mein Partner Pech gehabt hatte. Auch er hatte das Wesen nicht fangen können.
Es war uns entkommen.
Einen Teilsieg jedoch konnten wir auf unser Konto verbuchen. Es war mir gelungen, meinen Vater zu retten. Er hätte keine Chance gegen dieses unheimliche Höllengeschöpf gehabt.
Horace F. Sinclair hockte auf dem Boden. Mit dem Rücken lehnte er an der Wand. Weit hatte er den Mund aufgerissen, und er saugte hastig den Atem ein, wobei seine Unterlippe zitterte. Sein Gesicht wirkte bleich, wie mit klebrigem Mehl überstreut.
Neben ihm kniete ich mich nieder. Mein Vater sah mich. Er wollte lächeln, es klappte nicht. Dann streckte er den Arm aus. Zitternde Finger berührten meinen Handrücken.
»Junge«, röchelte er. »Mein Junge…«
Verdammt, Freunde, mir saß ein Kloß in der Kehle, als ich meinen alten Herrn so reden hörte. Es war wirklich Hilfe im letzten Augenblick gewesen.
»Okay, Daddy«, sagte ich. »Wir haben es gepackt. Du bist noch mal davongekommen.«
Er schloß den Mund und legte seinen Kopf nach hinten. Auf seinem Gesicht glänzte es naß, noch immer hatte er Schwierigkeiten, Atem zu holen, zudem war er so geschwächt, daß er nicht allein auf die Beine kommen konnte.
Ich faßte unter seine Schultern und hob ihn an.
»Soll ich helfen?« erklang Sukos Stimme vom Rand der Gruft.
Über meine Schulter hinweg schaute ich schräg nach oben. »Nein, laß mal, das schaffe ich
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