021 - Frankensteins Ende
»Aber es sollte doch möglich sein, diesen Dassin wieder in einen normalen Menschen umzuwandeln.«
Dr. Bertolli schüttelte den Kopf. »Das ist fast unmöglich.«
»Haben Sie es schon versucht?« brüllte Viviani.
»Nein«, sagte Dr. Bertolli.
»Dann versuchen Sie es! Die Sache ist doch immerhin einen Versuch wert.«
Viviani setzte sich und blickte Dr. Bertolli an.
»Gut«, sagte der Arzt. »Ich werde es versuchen, aber ich kann nicht garantieren, dass es …«
»Das verlangt auch niemand von Ihnen«, sagte Viviani. »Probieren Sie es einfach!«
Dr. Bertolli fuhr in sein Sanatorium in der Hubbard Street. Er stellte seinen Wagen im Hof ab und stieg aus. Es hatte wieder zu schneien begonnen.
Der Arzt blieb einige Minuten stehen, atmete tief die Schneeluft ein und betrat dann das Sanatorium.
Eine Krankenschwester grüßte ihn freundlich und nickte gedankenlos.
Professor Dassin hatte ein Zimmer im zweiten Stock, gleich neben seinem eigenen. Er hatte ihn in den vergangenen Wochen aufmerksam beobachtet. Die Operation war tadellos verlaufen. Der Professor war zu einem fünfjährigen Kind geworden. Er hatte den Wortschatz und die Bedürfnisse eines Kindes.
Bertolli öffnete die Türklappe und sah in Dassins Zimmer. Der Professor lag auf dem Bett und schlief. Die Decke war zurück geglitten und entblößte seinen gnomenhaften Körper.
Der Arzt bezweifelte, dass es gelingen würde, Dassin in einen normalen Menschen zurückzuverwandeln. Er hatte seinerzeit zu gute Arbeit geleistet.
Wütend schob er die Türklappe zu und setzte sich an den Schreibtisch. Es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als einen Kollegen zur Operation hinzuzuziehen.
Er lehnte sich zurück und war nach wenigen Minuten eingeschlafen. Als er erwachte, war es noch immer dunkel. Er knipste die Schreibtischlampe an, stand auf, trank ein Glas Wasser und ging im Zimmer auf und ab. Die Nacht im Sessel war nicht sehr erfrischend gewesen.
Zögernd schob er die Türklappe zurück und sah in Dassins Zimmer. Der Professor war schon auf. Er saß neben seinem Bett und spielte mit einem Auto.
Dassin war ein kleines Männchen mit einem für seine Körpergröße zu groß geratenen Kopf, der völlig kahl war. Die schwarzen Augen, die früher so dämonisch gewirkt hatten, blickten jetzt stupid und teilnahmslos drein. Der Professor trug ein Nachthemd. In der rechten Hand hielt er ein Spielzeugauto, mit dem er auf dem Boden herumfuhr. Dabei gab er vergnügte Laute von sich.
Und auf diesem spielenden Kind in der Gestalt eines erwachsenen Menschen ruhten die Hoffnungen seines Unkels. Dieses Kind sollte ihnen die Waffe gegen Crazy Joe verschaffen.
Die Schmerzen kamen immer häufiger. Manche Tage war Crazy Joe mehr als drei Stunden bewusstlos. Immer, wenn die Schmerzen einsetzten, sperrte er sich im Keller seiner Villa in Hollywood ein.
Er hatte die pompöse Villa vor zwei Wochen gekauft. Früher hatte hier einmal Alan Ladd gewohnt, aber das war schon viele Jahre her. Jetzt standen die meisten Villen der Stars zum Verkauf frei. Nur noch wenige der einstigen Filmgrößen wohnten in Hollywood.
Crazy Joe hatte einige Ärzte kommen lassen, doch keiner hatte ihm helfen können. Sie hatten ihm Ratschläge gegeben, die sich alle als unbrauchbar herausgestellt hatten. Seine Gier nach Blut war immer drängender, immer stärker geworden, doch er gab sich dieser Gier nicht hemmungslos hin, da er bemerkt hatte, dass die Schmerzen umso stärker wurden, je mehr Blut er trank. Manchmal veränderte sich sein Körper auch auf erschreckende Art. Seine Arme und Beine schwollen zu doppeltem Umfang an, und er konnte sich kaum bewegen. Es kam Crazy Joe so vor, als würde die Kunsthaut sein Fleisch aufsaugen. Er hatte Röntgenaufnahmen anfertigen lassen, doch die hatten nichts ergeben. Die Strahlen konnten seine Haut nicht durchdringen.
Oft war es ihm unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Dann saß er teilnahmslos am Fenster und starrte in den Garten hinaus. Es dauerte zuweilen Stunden, bis dieser Zustand vorbei war. Auch sein Erinnerungsvermögen war zeitweise gestört. Es kam vor, dass er nicht einmal mehr Gordon McLure erkannte.
Das Monster hatte Angst, entsetzliche Angst vor sich selbst. Die Veränderungen. waren ihm unerklärlich. Immer wieder traten Phasen auf, in denen er wie von Sinnen war und wie ein wildes Tier alles vernichtete, was ihm unter die
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