0210 - Drei Leichen im Garten
Sarah nahm an, daß es der Mund war.
Die Horror-Oma schluckte.
»Was…was soll ich sagen?« gab sie stockend zurück. »Ich bin einfach sprachlos. Du…du bist doch tot - oder?«
»Ja und nein.«
»Aber du hast mir einen Brief geschrieben.«
»Sicher. Da war ich auch noch normal. Ich wußte nicht, an wen ich mich hätte wenden sollen, du warst die einzige. Ich weiß, daß du Courage hast und daß nur du den Fall lösen kannst.«
»Ich?« Lady Sarahs Stimme klang schrill. »Was soll ich machen? Sieh dich um, man hat mich eingesperrt.«
»Nicht wegen dir, sondern wegen mir.«
»Das kann ich nicht glauben!«
»Du mußt es, denn sie haben Angst, daß ich ihnen laufen gehe. Ich will nicht…«
Lady Sarah holte tief Luft, bevor sie das Wesen unterbrach, das einmal Florestine gewesen war. »Du hast vorhin von einem Fall gesprochen. Welcher Fall ist es?«
»Der einer Lady Clarence.«
»Was ist mit ihr?«
»Sie ist gefährlich. Unheimlich gefährlich sogar, denn sie ist kein Mensch.«
»Eine Untote?«
»So kann man es vielleicht nennen. Aber es gibt ein anderes Wort für sie. Hexe!«
»Eine Hexe?« flüsterte Sarah Goldwyn.
»Ja, eine Hexe, und sie ist sehr alt. Über 100 Jahre.«
»Hat sie denn immer in dem Haus gewohnt?«
»Ja und nein. Soviel ich weiß, hat man sie im Keller eingemauert. Aber dann wurde das Haus von einem jungen Ehepaar gekauft. Im Anfang ging alles gut, bis sie auf die Idee kamen, den Keller umzubauen. Der Mann mußte eine Mauer einreißen. Als er das tat, wurde der unselige Geist der Hexe frei. Aber nicht nur der Geist, auch der Körper. Das Ehepaar hatte keine Chance. Grausam schlug die Hexe zu. Sie vernichtete die beiden und machte sie zu Dämonen. Die Frau wurde zu einer Untoten, der Mann nahm die Gestalt eines Ghouls an…«
Lady Sarah öffnete den Mund. Bevor sie einen Schrei ausstoßen konnte, legte sie ihre Hand gegen die Lippen.
»Ja, es ist schrecklich«, sagte das Skelett.
»Aber wieso bist du so geworden?« hauchte die Horror-Oma. »Wie bist du überhaupt in das Haus gekommen?«
»Eine gute Frage, Sarah. Weil die andere eine Haushälterin suchte, deshalb. Sie wollte die Arbeit nicht allein machen. Und ich hatte London satt, wollte etwas aufs Land, da kam mir dieses Angebot gerade recht. Ich bin hingefahren und wurde eingestellt. Eine Weile ging alles gut, doch dann merkte ich, daß etwas nicht stimmte und stellte Lady Clarence zur Rede. Sie stritt nichts ab. Das war an dem Tage, wo ich dir den Brief schrieb. Ich merkte die plötzliche Gefahr, wollte weg, aber sie ließen mich nicht, sondern lockten mich in den Keller. Dort gibt es noch immer die Nische, in der die Hexe über 100 Jahre verbracht hatte. Sie ist angefüllt mit einer schlimmen Magie. Das bekam ich zu spüren. Ich mußte erleben, wie sich mein Fleisch vom Körper löste und ich zu einem Skelett wurde, während die anderen zuschauten. Danach bekam ich meinen Platz dort, wo auch der weibliche Zombie und der Ghoul hausen. Im Garten. Drei Leichen im Garten«, sagte Florestine Everett. »Sie hat tatsächlich drei Leichen im Garten. Unter der Erde.«
»Und warum hat man dich mitgenommen?«
»Weil ich nicht so eingeschlagen bin, wie sie es sich vorgestellt haben.«
»Das verstehe ich nicht«, gab Lady Sarah zu.
»Laß es mich dir erklären, meine Liebe. Du siehst zwar ein Skelett vor dir, aber mich hat der unselige Geist der Hexe nicht fassen können. Ich bin menschlich geblieben. Das heißt, ich fühle und denke wie die Menschen, und ich kann den Horror verstehen, den du empfunden hast. Ich wehre mich auch jetzt noch gegen den Zustand, aber ich kann nichts ändern. Die anderen sind zu stark. Wie oft bin ich ausgebrochen, ich wollte nicht in der feuchten Erde liegen, doch meine Peiniger fingen mich immer wieder ein. Ich kann mich ja nicht unter Menschen wagen, sie würden sich zu Tode erschrecken. Zudem würde ich sie auf die Spur der Lady Clarence bringen. Das ist verständlich nicht wahr?«
Die Horror-Oma nickte. In der Tat mußte die andere Seite dafür sorgen, daß das Skelett den höllischen Reigen nicht verließ. Als dritte Leiche im Garten mußte es weiter existieren. »Und was ist mit den beiden anderen, dem Ehepaar?«
»Es ist voll dabei.«
»Dann hat bei ihnen die Magie gewirkt?«
»Ja.«
Durch die Nase holte Lady Sarah Luft. Sie spürte den kalten Schweiß auf ihrer Oberlippe, und sie fühlte sich dieser Situation hilflos gegenüber.
Trotzdem fragte sie: »Was kann ich für dich tun,
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