0211 - Die letzte Runde zahlt der Tod
Rennens liege.
Er aber habe die Aufforderung ignoriert. Dass er verfolgt wurde, habe er gar nicht bemerkt.
Der Lieutenant hatte inzwischen telefonisch mit der Leihwagenfirma gesprochen. Diese hatte den Bentley vor drei Tagen auf eine Woche vermietet. Der Kunde zahlte hundert Dollar an und legte Führerschein und Pass mit einer feudalen Adresse in Long Island vor. Das hatte den Leuten genügt, um den Bentley mitzugeben. Es stellte sich sehr schnell heraus, dass die Papiere dem wirklichen Eigentümer vor vier Wochen zusammen mit seiner Brieftasche, die einige Hundert Dollar enthielt, gestohlen worden waren. Wie das in solchen Fällen immer geht, konnte niemand eine Beschreibung geben. Der Mann, der den Wagen mietete, war ein elegant gekleideter Herr in mittleren Jahren gewesen. Auf Einzelheiten hatte niemand geachtet.
Wir fuhren nach Center Street und informierten Lieutenant Crosswing, der wie ein Berserker schimpfte. Selbstverständlich hatten wir vorher einen Blick in die Greyhound-Bar geworfen und erfahren, dass die ganze Gesellschaft längst weggegangen war.
Um sieben Uhr nahmen wir in denkbar schlechter Laune ein frühes Dinner, dem wir zwecks Auffrischung der Lebensgeister ein paar Drinks folgen ließen. Wir hatten keine Lust mehr, ins Office zu gehen, und so fuhren wir zu mir nach Hause.
Kaum hatten wir mit einer Partie Schach begonnen, als das Telefon klingelte.
»Endlich, Jerry! Wir suchen dich schon seit zwei Stunden«, sagte mein Kollege Tom Walter. »Die Kollegen aus der 73. Straße haben gemeldet, Mrs. Lewis habe heute Nachmittag durch ihre Schwester zwei Flugtickets auf den Namen Amalfi gebucht. Die Maschine geht in einer Stunde vom La Guardia Flugplatz nach Mexiko City. Außerdem hat sie ebenfalls durch ihre Schwester einen Scheck bei der City Bank kassieren lassen. Es sieht aus, als ob der Vogel fliegen wolle.«
»Maria Lewis will ausrücken. Wir müssen sofort zum Flugplatz«, sagte ich, und wir zogen im Eiltempo los.
Wir kamen zwanzig Minuten vor dem Abflug der Maschine an.
Gleich würden die Passagiere aufgefordert werden, einzusteigen. Wir sahen zunächst keine Spur von Maria und ihrer Schwester. Dann fanden wir sie.
Sie saßen im Restaurant. Beide waren blass und beide hielten krampfhaft ihr weniges Handgepäck fest. Durch den Lautsprecher kam eine Stimme.
»Die Passagiere für Flug 127 nach Mexiko City werden gebeten, in der Maschine Platz zu nehmen.«
Als Maria Lewis sich hastig erhob, stand ich vor ihr.
»Sie wollen verreisen, Mrs. Lewis?«, fragte ich.
Sie begann am ganzen Körper zu zittern, brach auf ihrem Stuhl zusammen und vergrub das Gesicht in den Händen.
»Bitte, haben Sie Mitleid mit mir!«, stöhnte sie. »Ich halte es nicht mehr aus. Ich muss weg, weit weg.«
»Ich bedauere außerordentlich, Ihrem Wunsch nicht Folge leisten zu können. Sie wissen genau, dass Sie in der Mordsache Ihres Mannes und Ihrer Hausangestellten eine unentbehrliche Zeugin sind. Wir können Ihnen nicht gestatten, New York zu verlassen.«
Ihre Schwester beachtete uns gar nicht. Sie fasste Maria um die Schulter und drückte sie an sich.
»Ich habe dir gleich gesagt, dass es keinen Zweck hat, davonzulaufen.«
Sie erhielt keine Antwort. Maria Lewis wurde von einem Weinkrampf geschüttelt. Es blieb nichts anderes übrig, als nach einem Arzt zu schicken.
»Mrs. und Miss Amalfi werden gebeten, ihre Plätze in der Maschine nach Mexiko City einzunehmen«, plärrte der Lautsprecher.
Maria hörte es und hob für einen Augenblick den Kopf.
Zwei Minuten später war der Arzt da, sah Maria kurz an und sagte:
»Nervenzusammenbruch. Die Frau gehört nach Hause ins Bett oder in ein Krankenhaus.«
Wir verließen zusammen den Flugplatz und fuhren mit meinem Jaguar und einem Taxi in die 73. Straße. Luisa führte ihre Schwester die Treppe hinauf, und wir warteten. Es dauerte gute zehn Minuten, bis sie zurückkam.
»Maria will Sie sprechen«, sagte sie mit steinernem Gesicht. »Bitte, seien Sie vorsichtig mit ihr!«
Ich nickte, und wir folgten ihr.
Die Witwe von Gus Lewis lag in ihrem breiten Bett. Ihr Gesicht unter den schwarzen Locken schien nur aus Augen zu bestehen. Ihre Haut war genauso weiß wie die Kissen.
»Sie wollten uns etwas sagen, Mrs. Lewis«, begann ich.
»Ja, ich wollte Ihnen klarmachen, wovor ich ausreißen wollte. Ich hätte es nicht tun sollen.«
»Das wäre jedenfalls klüger gewesen.«
»Ich hatte Angst, furchtbare Angst.«
Ich nickte nur. Luisa setzte sich zu ihr auf die Bettkante
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