0211 - Die letzte Runde zahlt der Tod
mehr aktuell ist«, lächelte ich. »Man kann dabei eklig hineinfallen, wenn es herauskommt.«
»Das konnte man damals auch schon, aber wir sind nie hereingefallen. Wer glaubt schon einem Gangster, wenn er behauptet, er habe Prügel bekommen?«
Das war der Punkt, über den wir uns mit dem guten Neville niemals einigen konnten. Er hing an seinen alten, Erfolg versprechenden Methoden und erklärte alles andere für lächerliche Gefühlsduselei.
Um halb sieben kam Phil an. Der betreffende Beamte war nicht mehr im Dienst gewesen, und so hatte er ihn zu Hause auf gesucht. Natürlich war ihm der merkwürdige Text des Telegramms aufgefallen, aber stur wie diese Burschen nun einmal sind, hatte er das Nächstliegende, nämlich einen Cop zu holen, nicht getan. Dagegen konnte er eine genaue Beschreibung des frühen Kunden geben.
Er war ungefähr ein Meter siebzig groß, schlank und semmelblond. Er hatte hellblaue Augen und das Gesicht voller Sommersprossen. Auch auf den Händen wuchsen blonde Haare zwischen kleinen, bräunlichen Punkten.
Wir sahen in unserem Bilderbuch nach und brauchten keine fünf Minuten, um herauszubekommen, wer der Kerl war. Er hieß Mike Slowy und hörte auf den Spitznamen Freckle, was so viel wie Sommersprosse bedeutet.
Vor ungefähr sechs Wochen war er aus dem Knast gekommen, nachdem er ein paar Jahre wegen einer besonders bösartigen Erpressung abgerissen hatte. Eigentlich hätte er sich wöchentlich auf der siebten Polizeistation melden sollen, war dort aber nie erschienen, sondern, hatte es vorgezogen, unterzutauchen.
Dieser Freckle war ein Erpresser von Beruf. Das passte eigentlich nicht dazu, dass er Maria Lewis denunziert hatte. Es sei denn, er hätte vorher versucht, sie ohne Erfolg zu schröpfen. Außerdem, wo sollte der Gangster dreitausenddreihundert Dollar hergenommen haben, und warum war ihm eine Überführung Marias so viel wert?
Die Folgerung war sehr einfach.
Freckle hatte nicht nur auf eigene Rechnung gehandelt, sondern im Auftrag eines anderen, und dieser andere musste ihn dafür gut bezahlt haben.
Wir unterrichteten Lieutenant Crosswing und veranlassten eine Fahndung nach dem Burschen, der leicht zu erkennen war.
Wir waren wieder einen winzigen Schritt weitergekommen, aber von der Aufklärung des ganzen Komplexes von Verbrechen noch weit entfernt.
Als wir zum Abendessen gingen, sprang mir ein Reklameplakat ins Auge, das anzeigte, dass am morgigen Tag am Tompkins Square Windhundrennen stattfänden. Neulich hatten wir es versäumt, dieses zu besuchen, und so wollten wir das morgen nachholen.
Um ganz sicherzugehen, besorgten wir uns sofort Karten. Wir hofften auf den Glücksfall, bei dieser Gelegenheit auf eine Spur der Leute zu stoßen, die die Buchmacher schröpften.
Kurz nach neun fiel ich todmüde ins Bett, was nicht verwunderlich war, denn ich hatte letzte Nacht nur knappe drei Stunden geschlafen.
***
Am Morgen war ich endlich wieder frisch, munter und unternehmungslustig. Schon um acht Uhr war ich im Office. Phil kam wenig später. Als Erstes studierte ich die Berichte unserer Kollegen, die das Haus in der 73. Straße und dessen Bewohner beobachteten.
Maria Lewis war unsichtbar geblieben, was angesichts der Prügel, die sie bekommen hatte, nur verständlich schien. Dagegen war Luisa in der Stadt gewesen, um Einkäufe zu machen. Sie hatte bei dieser Gelegenheit auch ihre Mutter besucht. Dort war sie über eine Stunde geblieben und danach in die 73. Straße zurückgekehrt.
Unsere Kollegen hatten sich vorsichtig'umgetan und gehört, Carlo sei nicht, wie gewöhnlich, um vier Uhr morgens nach Hause gekommen. Seine Mutter hatte bereits mit dem Besitzer des Restaurants »Roma« telefoniert und einer Nachbarin gegenüber geäußert, sie hoffe, ihr Sohn habe nicht wieder etwas ausgefressen.
Dieses »wieder« machte mich misstrauisch, und ich mobilisierte den Erkennungsdienst. Tatsächlich war Carlo Amalfi dort- bekannt. Zweimal war er in Schlägereien verwickelt worden, und ein drittes Mal hatte er einen Gast so energisch auf die Straße gesetzt, dass dieser einen Kiefer- und Nasenbeinbruch davongetragen hatte.
In sämtlichen Fällen konnte man ihm nichts anhaben, weil er Zeugen beibrachte, die angaben, dass er angegriffen worden sei. Diese Umstände waren, wenn man Carlo Amalfi kannte, nicht erstaunlich, und damit erklärte sich auch die Bemerkung seiner Mutter. Besucher hatte Maria Lewis nicht gehabt. Es waren nur Lieferanten in das Haus gegangen.
Trotz dieses
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