0212 - Herr der roten Hölle
Eine blonde Frau lächelte uns an, bevor sie nach unseren Wünschen fragte. Zum Glück konnte sie englisch und zeigte sich unseren Wünschen gegenüber sehr aufgeschlossen.
»Ja, wir haben diese Wagen natürlich«, sagte sie und schob ihre Brille tiefer, wobei sie uns über die Ränder hinweg anpeilte. »Aber wollen Sie wirklich mit dem Wagen in die Berge?«
»Sicher«, bestätigte ich. »Warum sollten wir nicht?«
»Wir haben Ende März, da spielt das Wetter oft genug verrückt. Sie haben sicherlich den Schneeschauer erlebt. Er war harmlos im Gegensatz zu dem, der Ihnen in den Bergen begegnen kann. Deshalb warne ich Sie.«
»Wir müssen leider.«
»Dann sind Sie keine Touristen?«
»Nein.«
»Auf jeden Fall drücke ich Ihnen die Daumen. Sie können übrigens unter mehreren Modellen wählen. Wir haben hier Japaner, Amerikaner…«
»Eigentlich sind wir die Range Rover gewohnt«, sagte ich.
»Ja, gute Wagen für diese Strecken. Haben wir natürlich auch zur Verfügung.« Sie lächelte wieder. »Wenn Sie mir bitte sehr folgen wollen?«
Wir taten es, verließen den Raum durch eine Seitentür, durchschritten einen Gang und gelangten auf den Hof, wo der Fahrzeugpark stand. Die meisten Wagen parkten unter einem schützenden Wellblechdach. Auch ein dunkelblauer Range Rover, der am Ende der Parkreihe stand.
»Ist der Wagen in Ordnung?« erkundigte ich mich und wies mit der Hand auf ihn.
»Unsere Wagen sind alle okay?«
»Dann nehmen wir ihn. Wie sieht es mit Kartenmaterial aus?«
»Liegt im Handschuhfach. Vollgetankt ist er auch. Allerdings rate ich Ihnen zu Reservekanistern.«
»Das machen wir auch.«
Wenig später waren die Formalitäten erledigt, und wir konnten abdampfen. Zunächst einmal schauten wir uns die Karte an. Die der Hauptstadt und auch die der unmittelbaren Umgebung. Wir mußten tatsächlich hoch in die Berge. Da gab es kaum eine Stadt, nicht einmal ein Dorf.
»Abenteuerreise«, sagte Suko. »Es gibt Leute, die sogar Geld dafür bezahlen.«
Ich grinste schief. »Aber ohne mich.«
»Du hast ja auch keinen Sinn für die Natur.«
»Rede nicht so lange herum und fahr.« Wir hatten gelost, und Suko mußte das Steuer übernehmen. Es war nicht so einfach, aus der Hauptstadt herauszufinden, denn übermäßig beschildert waren die Wege nicht. Wir verfuhren uns ein paarmal, rollten im Kreis und fragten schließlich einen winterlich angezogenen Polizisten.
Der gab uns dann genauere Auskünfte, warnte uns allerdings auch vor den Bergen.
»Leider sind wir nicht zum Vergnügen unterwegs«, sagte ich.
»Was suchen Sie denn dort?« Der Polizist hatte sich herabgebeugt und blies mir seinen Mentholatem ins Gesicht.
»Bodenschätze. Wir sind Geologen. Ihre Regierung hat uns angefordert. Bei einem Land, das mit Geysiren so reich bestückt ist, müßte sich noch mehr Energie durch diese heißen Quellen gewinnen lassen.«
»Das ist gut.« Der Polizist rieb seine Hände. »Dann brauchen wir weniger Öl.«
»Es ist der Sinn unserer Fahrt«, erklärte ich, grüßte noch einmal und gab dem Chinesen ein Zeichen anzufahren.
Ich hatte mitgeschrieben. Die Angaben des Polizisten waren wirklich verläßlich. Einmal noch konnten wir das Meer und den Hafen sehen. Die hohen Masten der Fischkutter fielen besonders auf. In den Vororten konnten wir zügiger fahren. Die Luft über den Bergen war hell und klar. Sie unterschied sich darin von der unserer Heimatstadt London. Hier gab es auch kaum luftverschmutzende Industrie. Die Verarbeitung von Fisch oder Holz brachte nicht soviel Dreck.
Thule!
Ich dachte an dieses Land, während ich vor uns auf das graue Band der Straße schaute, die langsam anstieg und direkt zu den scharfkantigen Bergrücken hinaufzuführen schien. Dort oben lag der Schnee als glitzernde Schicht. Viel hatte ich als Kind über Thule gelesen, über die Wikinger, über die alten Geschichten, die Sagen, die Legenden. Hier wurden Märchen wahr, und tief im Schoß der Insel lauerte so manche noch nicht entdeckte und in ferner Vergangenheit geborene Gefahr.
Ein geheimnisvolles, faszinierendes und rätselhaftes Land, bekannt geworden in den Geschichten um Prinz Eisenherz.
Und hier irgendwo sollten wir auch eine Spur des roten Dämons finden. Vorstellen konnte ich es mir. Vielleicht würden wir auch auf ein Dimensionstor stoßen, wer konnte das sagen?
Ich hatte die Karte auf den Knien liegen und auch die Beschreibung, die ich von Tanith bekommen hatte. Wenn ich an sie dachte, stieg unwillkürlich ihr Bild
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