0212 - Herr der roten Hölle
vor meinem geistigen Auge auf. Eine rothaarige Frau mittleren Alters, sehr gepflegt wirkend und mit grün lackierten Fingernägeln, die wohl ein Markenzeichen bei ihr waren.
Suko mußte mit der Geschwindigkeit runtergehen. Je mehr wir uns von der Hauptstadt oder menschlichen Ansiedlungen entfernten, um so schlechter wurde die Straße. Es waren nicht allein die durch Frost entstandenen Schäden, sondern auch die Schneedecke, die uns zu schaffen machte. Trotz der guten Bereifung durften wir nicht zu schnell fahren, denn auf Eis half nichts, und wir konnten nicht wissen, wie es unter der Schneedecke aussah.
Vor uns tauchte in einer weiten Kurve ein graues Ungeheuer auf vier Rädern auf. Ein gewaltiger Lastwagen, dessen Reifen die Höhe eines normalen Autos besaßen. Wir mußten dicht an den Rand, um das Fahrzeug vorbeizulassen. Seine Räder wühlten Schnee auf und schleuderten ihn gegen die Scheiben des Rovers.
»Mußte der gerade jetzt fahren?« beschwerte sich Suko und schaltete die Wischer ein. Gemeinsam mit der Spritzanlage schaffen sie es, die Scheibe zu säubern.
Wir fuhren weiter.
Bald fing es wieder an zu schneien. Wir befanden uns in einem Tal, rechts und links führten schneebedeckte Hänge hoch, vor uns lag eine düstere Wand in der Luft.
Schneewolken.
Zuerst rieselten nur kleine Flocken. Minuten später jedoch steckten wir in einer wahren Flockenhölle. Nicht die berühmte Hand konnten wir vor Augen sehen, so daß Suko gezwungen war, anzuhalten.
»Das habe ich auch selten erlebt«, sagte er und schaute hinein in den rasenden Wirbel.
Ich besah mir die Karte. Im Wagen war es so dunkel, daß ich das Licht einschalten mußte. Mit dem Zeigefinger versuchte ich, den Weg zu verfolgen, den wir bisher gefahren waren.
Die Straße war gut eingezeichnet. Ein schmaler Strich wand sich durch das Gelände, führte in die Berge und hörte irgendwo auf. Ich verzog die Mundwinkel.
Suko bekam es mit und fragte: »Was ist los?«
»Hier, schau dir das an. Die Straße hört auf.«
»Das gibt es doch nicht.«
»Ja, wie ein Wüstenwadi.«
»Und was hat Tanith gesagt?«
Ich holte den Zettel mit meinen Notizen hervor und stellte Vergleiche an. »Der Einsiedler oder Schriftsteller muß irgendwo am Ende dieser Straße seine Höhle haben.«
»Vielleicht ist es auch ein Haus.«
»Wie dem auch sei. Auf jeden Fall können wir ihn finden, wenn wir bis zum Ende durchfahren.«
»Aber nicht bei dem Schnee.« Da hatte der Chinese natürlich recht.
»Irgendwann hört es auch auf. Das ist nur ein Schauer.« Ich steckte voller Optimismus und sah mich auch nicht getäuscht, denn Minuten später nahm der Flockenwirbel an Dichte ab, so daß wir wieder Umrisse erkennen konnten. Schließlich klarte es ganz auf.
Wir stiegen aus dem Wagen. Wenn wir atmeten, bildeten sich Schwaden vor unseren Lippen. Mit den Händen schaufelten wir die Scheiben frei. Von der Straße war kaum etwas zu sehen. Vor uns lag eine ansteigende freie Fläche. Kamen wir von der Bahn, konnte es leicht sein, daß wir trotz des geländegängigen Wagens irgendwo in einer Schneewehe feststeckten und nicht mehr herauskamen.
Stehenbleiben konnten wir auch nicht und fuhren weiter. Nach der übernächsten Kurve erschien ein halb zugeschneites großes Hinweisschild. Es zeigte nach links. Irgend etwas wurde dort gebaut. Daher war auch bestimmt der Lastwagen gekommen, der uns so erschreckt hatte.
Suko gab wieder Gas. Vorsichtig fuhren wir weiter. Die Straße wurde steiler. Der Schnee war pappig und glatt auf der Oberfläche. Zum Glück waren die Reifen okay, so daß der Range Rover es schaffte, auch diese Klippen zu überwinden.
Einsamer wurde die Gegend. Vor uns lag die weiße Pracht fast unberührt. Wir fuhren nach einer Viertelstunde in ein Hochtal hinein. Rechts und links weiteten sich gewaltige Plateaus, die von Bergen begrenzt wurden. Ob wir auf dem Weg waren, wußte ich nicht. Suko erging es ebenso, und wir fuhren nach Gefühl.
Jetzt stand eine große, blasse Sonne am Himmel, doch rechts von uns bildeten sich bereits wieder dicke, schwarze Wolken. Wie unheimliche Wesen aus dem Schattenreich krochen sie über die Gipfel der Berge.
»Das gibt noch mal was«, sagte Suko. »Es ist fraglich, ob wir den Schriftsteller überhaupt finden.«
Sörskold - so hieß der Mann - hätte sich auch wirklich eine andere Gegend aussuchen können, als gerade diese Einsamkeit.
Ich behielt die Wolkenwand im Auge, während Suko fuhr. Unser Wagen hinterließ eine einsame Spur im
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