0214 - Die Leichenkutsche von London
vornehmen wollten.
Auch Xorron hatte die Rocker entdeckt. Wir bemerkten, wie sein flacher Schädel hoch ruckte, aber noch ließ er sich nicht stören und kippte den Deckel des zweiten Sargs hoch.
Meine Wiedergabe liest sich, als wäre ungemein viel Zeit zwischen unserer Entdeckung der Kutsche und dem Auftauchen der Rocker vergangen. Das stimmte nicht. Es handelte sich höchstens um zwei, vielleicht drei Minuten.
Und nun drängte alles auf ein Finale zu.
Die Rocker, sowieso von sich überzeugt, wollten es wissen. Die Kutsche auf der Straße, zudem belegt mit zwei Särgen, das war etwas, das in ihre Köpfe nicht hineinging.
Sie kreisten sie ein.
Zwei Maschinen fuhren links und rechts, eine blieb hinter der Kutsche, und wir bekamen mit, wie sich einer der Rocker, es war der, der rechts fuhr, auf seiner Maschine hochstellte. Da er ein ausgezeichneter Fahrer war, konnte er dies riskieren, zudem führte die Straße geradeaus, wie mit dem Lineal gezogen.
Der Rocker streckte den Arm aus, hielt mit einer Hand den Lenker dabei und versuchte, nach der Kutsche zu greifen.
Noch ließ Xorron ihn in Ruhe. Auch um die anderen kümmerte er sich nicht.
Im nächsten Augenblick aber spritzte er förmlich in die Höhe, war wie ein heller Schatten und griff zu.
Wir mußten das Schreckliche mit ansehen. Ich hatte die Hände zu Fäusten geballt, meine Fingernägel stachen ins Fleisch, und über meine Lippen drang ein Stöhnlaut, während es Bill und Suko im Fond nicht anders erging.
Xorron riß den Rocker von der Maschine.
Es war ein Bild wie in einem Action-Film des Meisterregisseurs Sam Peckinpah, nur erlebten wir die Szene nicht auf der Leinwand, sondern vor unseren Augen.
Der Rocker versuchte, sich noch mit einer Hand an die Maschine zu klammern, doch Xorrons Kraft war ungebrochen. Wen er einmal hatte, den ließ er nicht mehr los.
Erst jetzt entdeckte ich, daß eine Seitenwand der Kutsche aus einer Tür mit Glaseinsatz bestand. Die Tür war aufgeflogen. Durch die Öffnung hatte der Untote gegriffen, und durch sie riß er den Rocker auch in das Innere.
Mit der Faust drosch er zu.
Er hatte soviel Wucht hinter seinen Hieb gelegt, daß der Mann in die Knie sank. Wahrscheinlich war sein Helm sogar zertrümmert.
Gleichzeitig scherte die jetzt führerlose Maschine aus. Zuerst driftete sie nach rechts weg, dann stellte sich das Rad quer, von der Geschwindigkeit wurde sie in die Höhe gerissen, überschlug sich, krachte auf die Fahrbahn und schlidderte weiter, wobei das Metall über den Asphalt kratzte und eine lange Funkenspur aufflog, als wäre die Maschine kein Wunderwerk der Technik, sondern ein Komet.
Unser Fahrer reagierte glänzend. Zuerst hatte ich befürchtet, daß er durchdrehen würde, aber er hatte wahrscheinlich schon zu viel hinter sich, so daß er weiterhin den Wagen in der Spur behielt, weder nach rechts oder links auswich und auch nicht bremste.
Wir überholten die Rocker-Maschine und bekamen noch mit, wie sie in den Graben geschleudert wurde. Dabei drehte sie sich um die eigene Achse, als wäre sie ein Kreisel.
Und Xorron wütete.
Ich will auf eine Beschreibung verzichten, es wäre zu grausam gewesen, aber wir erlebten ihn in voller Aktion. Er tötete den Rocker auf unvorstellbare Art und Weise, schwang dann die Arme hoch und warf das, was er nicht mehr benötigte, von sich.
Dann stellte er sich aufrecht, hob den rechten Arm und drohte uns. Es mußte auch ein anderes Zeichen gewesen sein. Die Kutsche wurde auf einmal schnell.
Wie ein Pfeil war sie, bekam eine starke Beschleunigung und löste sich vor unseren Augen auf, wobei wir das Gefühl haben konnten, sie würde direkt in den schwarzen Nachthimmel fahren und den vereinzelt blinkenden Sternen einen Besuch abstatten.
Zurück blieben noch zwei Rocker, die das Entsetzen schütteln mußte, denn sie hatten sicherlich mit angesehen, was Xorron mit ihrem Freund angestellt hatte.
Auch wir waren geschockt. Wieder einmal hatte uns die andere Seite demonstriert, wie brutal und gnadenlos sie vorging.
Xorron in London.
Das war ein Alptraum.
Und sogar noch mehr…
***
Als die beiden Maschinen vorn anfingen zu schwänzeln, da wußte ich, daß auch wir bremsen mußten.
»Halten Sie an!« befahl ich dem Fahrer.
Der hörte nicht. Inzwischen kamen die Motorräder bedrohlich näher, und auch hinter uns befanden sich Wagen.
»Verdammt, John, der Kerl hat einen Schock!« meldete sich Bill Conolly von hinten.
»Ich weiß, ich weiß!« knirschte ich und erkannte,
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