0214 - Sie speisten uns mit Dynamit
lief nach draußen und signalisierte mit der Lampe. Der Wagen stoppte, und ein Scheinwerfer stach mir ins Gesicht.
»Was geht hier vor?« fragte der Sergeant grob und legte die Hand an den Pistolenkolben.
Ich nahm ihm das nicht übel. In dieser Gegend kann auch ein Polizist — und vielleicht gerade ein Polizist — nicht vorsichtig genug sein.
Ich ließ meinen FBI-Stern aufblitzen, und der Sergeant beruhigte sich.
Als er die Tote sah, murmelte er: »Verdammt! Ein weißes Girl in Harlem ermordet. Das hat uns gerade noch gefehlt. Jetzt sind die Puppen am Tanzen.«
Ich wußte genau, was er meinte. In Alabama gab es zur Zeit einmal wieder Krach. Die weißen Großgrundbesitzer und vor allem der Abschaum der weißen Rasse, der sich dort arbeitsscheu herumtrieb, hatten wieder einen Skandal angefangen, weil farbige Kinder die höheren Schulen besuchen wollten. Es war dabei zu wüsten Schlägereien gekommen, und der Präsident hatte die Zivilgarde einsetzen müssen, um Ruhe und Ordnung—wenigstens oberflächlich — wiederherzustellen. Zwar ist der Süden weit, aber Washington ist nahe. Und Washington liegt in Maryland, wo man zur Zeit Abraham Lincolns den Negern noch die Ohren gestutzt hatte.
In Washington war damals der größte Sklavenmarkt der Vereinigten Staaten gewesen, und dort saßen noch immer Leute, die eine den Bundesgesetzen feindliche Rassenpolitik betrieben. Noch vor kurzem hatte ein Kongreßausschuß ersucht, gemeinsame Schulen für Schwarz und Weiß zu verbieten, und es hatte eines Machtwortes des Senats bedurft, um das zu verhindern.
Wir wußten auch, daß wegen dieser Schwierigkeiten für den folgenden Tag eine Besprechung bei der FBI-Zentrale in Washington anberaumt war, zu der wir — zusammen mit unserem Boss Mr. High — fliegen würden.
Für jene Leute, die immer noch hundert Jahre hinter der Entwicklung herhinken, war dieser Mord an dem blonden Girl in Harlem Wasser auf die Mühlen.
Da dieser Mord jedoch nicht unter die Zuständigkeit des FBI fiel, sondern eine Angelegenheit der Stadtpolizei war, kümmerten wir uns nicht weiter darum, sondern warteten lediglich das Eintreffen der Mordkommission ab. Sie kam nach einer Viertelstunde.
Leutnant Crosswing, der Homicide Squad drei anführte, war ein tüchtiger und vorurteilsloser Beamter und außerdem unser Freund.
Er nickte uns kurz zu und eilte, gefolgt von dem Arzt und seinen Leuten, dorthin, wo die Tote lag. Der Fotograf ließ ein Blitzlicht aufflammen und nachdem er fertig war, machte sich Doc Price an eine kurze Untersuchung.
»Niedergeschlagen und danach erwürgt«, sagte er. »Der Tod ist vor ungefähr einer Stunde eingetreten. Einzelheiten muß die Obduktion ergeben.«
Die Spurensucher waren bereits an der Arbeit.
Plötzlich stieß Sergeant Green, der sich mit den Mülltonnen beschäftigte, einen lauten Ruf aus.
»Ich glaube, ich habe ihre Tasche gefunden.«
Die Tasche war ein billiges Ding aus Kunstleder und enthielt ein Sammelsurium von Schminkutensilien, Nagellack, Seife, Handtuch und sogar eine Zahnbürste. Es fand sich ferner ein Ausweis auf den Namen Betty Smock, wohnhaft in der 145. Straße 416, bei einer gewissen Mrs. Thomson, also ganz in der Nähe. Hier zeigte sich, wes Geistes Kind das Mädchen war, denn kein weißes Mädchen, das etwas auf sich hält, würde jemals in der 145. Straße West in Harlem wohnen.
Als kurze Zeit später noch eine zweite’ Radiocar ankam, baten wir ihren Sergeant, uns nach Hause zu fahren. Taxis waren jetzt in dieser Gegend nicht aufzutreiben, und mein Jaguar stand meilenweit entfernt in Center Street, wo ich ihn mit zwei Plattfüßen abgestellt hatte.
Es war fast halb vier, als ich endlich im Bett lag.
***
Am nächsten Morgen um neun Uhr bestiegen wir auf dem International Airport die Maschine und landeten pünktlich um neun Uhr fünfzig auf dem Flugplatz von Washington, der auf einer Insel mitter- im Potomac River liegt. Dort erwartete uns bereits ein Wagen der Zentrale, und um halb elf eröffnete Colonel Lamont, der Chef der zuständigen Abteilung, die Konferenz.
Er gab eine kurze Übersicht über die Lage und ordnete an, daß auch bei dem kleinsten Versuch, die Unruhen auf andere Staaten auszudehnen, aufs schärfste durchgegriffen werden müsse.
»Wir können es uns angesichts der Weltlage nicht leisten, den Eindruck zu erwecken, als ob die Vereinigten Staaten ihre farbigen Bürger diskriminieren oder gar terrorisieren«, schloß er. »Der Präsident und der Justizminister haben uns
Weitere Kostenlose Bücher