0216 - Der Ripper kehrt zurück
verschwinden.
Noch waren die Deckel zu, und das bleiche, leicht grau schimmernde Holz wirkte schaurig im Licht der Lampe. Die beiden Mädchen wussten, dass die Särge den Schrecken verbargen, denn durch allerlei elektronische Tricks brachten sie den Besuchern das Fürchten bei.
Jetzt war die Anlage abgeschaltet. Alles lag in tiefer Ruhe, so dass sich die beiden Freundinnen ungestört ihrer Arbeit widmen konnten.
»Bleib du am Band stehen«, sagte Muriel zu All und kletterte über die Barriere. »Ich schaue mal nach.«
»Aber beeil dich.«
Muriel drehte den Kopf. »Hast du Angst?«
Wie fröstelnd zog Jill die schmalen, knochigen Schultern hoch. Im Licht der Lampe wirkte ihr Gesicht noch blasser, als es in Wirklichkeit schon war.
»Ja, ich habe Angst.«
»Aber das ist doch alles künstlich.«
»Trotzdem, beeil dich.«
»Klar, doch.« Muriel kletterte geschickt über die Abtrennung und balancierte zwischen den aufgestellten Särgen einher.
Sechs waren es. Unter einem befand sich das Versteck, wo das Heroin lagerte. Die Mädchen hatten sich den Standort genau gemerkt, es war der dritte Sarg von rechts. Er schimmerte ebenso bleich wie die anderen fünf. Das alte Holz hatte auch hier dem Zahn der Zeit Tribut zollen müssen aber die Dinger funktionierten, wenn der Strom eingeschaltet worden war.
Neben dem Sarg ging Muriel in die Hocke. Sie griff wieder in die Tasche ihrer Cordjacke und holte einen schmalen Schraubenzieher hervor. Ihn wollte sie als Hebel benutzen. Sie und Jill hatten zuvor schon alles genau ausgekundschaftet.
Jill hatte Angst. Ihr Knöchel wirkte dabei als eine Art Katalysator. Wäre dieses Stechen nicht gewesen, hätte sie zusammen mit Muriel die Barriere überklettern können. So wurde sie bei jedem Ziehen daran erinnert, nicht mehr schnell genug weglaufen zu können, falls sie mal überrascht wurden.
Holz splitterte. Muriel hatte die Lampe neben sich auf den Boden gelegt, und Jill sah einen Span durch den Lichtstrahl wischen. »Hast du es geschafft?« flüsterte sie.
»Mist. Das Ding klemmt.«
»Dann drück doch fester.«
»Weiß ich selbst.« Muriel unternahm einen erneuten Versuch und lachte leise auf.
»Alles klar?« hauchte Jill.
»Ja, alles. Die Klappe ist offen. Endlich.«
Jill atmete auf. So laut, dass Muriel es sicherlich hören konnte. »Und der Stoff?« fragte sie.
Über Muriels Lippen drang ein Seemannsfluch. »Verdammt, er ist nicht da. Alles umsonst!«
Jill schloss sekundenlang die Augen und presste hart die Lippen zusammen. In den letzten Sekunden hatte sie den Schmerz im Knöchel kaum noch gespürt. Nun aber, nach der Enttäuschung, machte er sich wieder bemerkbar.
»Alles umsonst!« Muriel heulte die Worte fast und erstickte an ihrer Wut. »Es ist alles…«
Das nächste Wort brachte sie erst gar nicht mehr hervor, denn einiges veränderte sich. Im Gang hinter ihnen flackerte rotes Licht auf, und die Grotte, in der sie sich befanden, wurde von einem bläulichen Schein erhellt, der auch einen Stich ins Violette bekam.
Jemand war gekommen, denn von allein schaltete sich die Elektronik nicht ein. Plötzlich bekamen die beiden Girls Angst…
***
Jane Collins hatte Judokurse belegt und kannte sich auch ein wenig in Karate aus. Sie kreiselte auf der Stelle herum und tauchte gleichzeitig nach rechts weg, so dass sie ihren Körper aus der Reichweite des Messers brachte. Wenn der Ripper jetzt zustach, dann musste er sie verfehlen. Das hoffte sie jedenfalls.
Die Detektivin hatte soviel Schwung in ihre Aktion gelegt, dass sie bis gegen die Wand krachte und sich dort abstützte. Einmal drehte sie sich, so dass sie mit dem Rücken an den nachgebildeten Felsen lehnte und den Ripper vor sich sah.
Da stand er. Der dunkle Hut war nach wie vor tief in die Stirn gezogen, so dass Jane nur einen Teil des Gesichts erkannte und nicht wusste, ob er sich nun als Ernie Shane zeigte. Sie war von dieser Bestie eigentlich alles gewohnt.
Seltsamerweise unternahm der Ripper nichts. Fast erinnerte er an eine Vogelscheuche. Nur hielten die keine Messer in den Händen, und von der Ripperklinge tropfte zudem noch Blut von seinem letzten Opfer.
Jane schüttelte sich. Ihr Haar hatte sich gelöst. Der Knoten hielt nicht mehr, jetzt klebten die blonden Strähnen mit den Spitzen im schweißnassen Gesicht.
Obwohl der Ripper nicht eingegriffen und sie nicht verletzt hatte, bekam Jane Angst. So wie er da einfach stand, bewies er auch seine Überlegenheit. Und er versperrte den Weg zum Ausgang, so
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