0219 - Lupinas Sohn
sie waren so schnell, daß die eine die andere einholen wollte, jedenfalls schien es der Vampirin so. Aus ihrem Mund drangen heisere Laute. Sie wartete darauf, daß Lupina im Hagel der Silbergeschosse zusammenbrechen würde.
Das allerdings geschah nicht.
Als Lady X damit rechnete, Lupina durch die Silberkugeln von den Beinen zu fegen, brachte diese sich mit einem gewaltigen Sprung in Sicherheit, so daß die Geschosse dicht an ihr vorbeifegten, in den Boden hackten und ihn dort umpflügten. Die Werwölfin aber rollte über die Erde, kam geschickt auf die Füße und brachte sich mit einem weiteren Sprung in Sicherheit. Die Scott mußte die Waffe schwenken. Ein böser Fluch drang aus ihrem Mund.
Abermals jagte sie eine Garbe aus dem Lauf. Das harte Tack-tack, diese tödliche Melodie, schwebte wie das Stakkato eines halben Trommelschlags über dem Baggersee und dem Steinbruch.
Lady X wußte, daß es Munitionsverschwendung war, was sie tat, und sie hatte sich bisher auch immer davor gehütet, aber sie konnte nicht anders, sie setzte noch eine Garbe hinterher. Die dritte fehlte ebenfalls. Sie erwischte nicht Lupina und auch nicht ihren Sohn.
Dann hatten die beiden Werwölfe Deckung gefunden. Es gab genügend aufgeschüttete, kleine Lehmhügel an der breiten Seite des Steinbruchs, wo sie ihren Platz fanden und erst einmal unsichtbar waren.
Lady X richtete sich auf. Es war ihr jetzt egal, ob sie erkannt wurde oder nicht, und sie vernahm die Reaktion der Werwölfin.
Es war ein fauchendes Lachen, das durch den Steinbruch hallte und von den glatten Lehmwänden zurückgeworfen wurde. Lupina ging sogar so weit, daß sie sich hinter ihrer Deckung aufrichtete. Sie hatte sich wieder verwandelt. Über dem Wolfskörper zeichnete sich deutlich ein Frauengesicht ab, und der Wind spielte mit den langen, blonden Haaren, wehte sie hoch wie eine helle Fahne.
»Du willst mich umbringen?« kreischte sie. »Du? Lady X? Nie wirst du das schaffen - nie!«
»Ich wette dagegen!« brüllte Lady X.
»Warum ist Morasso denn nicht selbst gekommen?« höhnte Lupina. »Er hat Angst gehabt, wie? Dafür schickt er dich vor, damit du ihm die Kastanien aus dem Feuer holst. Ich hätte dich für schlauer gehalten, Pamela Scott. Was stehst du noch zur Mordliga? Sie wird auseinanderbrechen. Solo Morasso hat verspielt. Er hat zwar Asmodina besiegt, doch durch diesen Kampf zu viele Wunden davongetragen, die nicht mehr heilen. Nein, Dr. Tod ist am Ende…!«
Die Scott verstand die Worte sehr wohl. Und sie wußte, daß sie gar nicht so falsch waren, aber sie wollte es nicht einsehen, daß sie den kürzeren gezogen hatte. Nein, das auf keinen Fall. Sie würde es den anderen zeigen, und sie hatte längst noch nicht von ihrem eigentlichen Plan Abstand genommen. Lupina und ihr Sohn sollten sterben!
»Ich warte hier!« schrie Lady X. »Ich habe Zeit. Mehr als du. Irgendwann wirst du dich zeigen, und dann töte ich dich!«
Ihr gellendes Lachen nach diesen Worten fetzte hinab in den Steinbruch und mußte den beiden Werwölfen in den Ohren gellen.
Die Szene wirkte in der Tat gespenstisch. Angeleuchtet vom fahlen Mondlicht, standen sich zwei dämonische Wesen gegenüber, die sich bis auf den Tod haßten. Die eine war entschlossen, die andere umzubringen, und die zweite reagierte nicht anders.
Lady X trat zwei Schritte zurück, blieb aber so stehen, daß sie hinunter in den Steinbruch schauen konnte. Mit der freien Hand winkte sie Tonio Trent zu. Der verstand und trat sofort näher. »Gib mir das zweite Magazin.«
Trent kümmerte sich nicht darum. Sein fauchendes Lachen hörte Lady X dicht an ihrem Ohr.
»Du hast es nicht geschafft, wie? Die anderen waren besser. Scheint mit deinen Schießkünsten wirklich nicht weit her zu sein, Lady X!«
Das war zuviel. Die Scott drehte durch. Auf der Stelle kreiselte sie herum, wobei sie die MPi noch immer in den Händen hielt, und dann hieb sie die schwere Waffe gegen den Hals des Blutsaugers.
Der verkraftete den Treffer zwar und spürte auch keine Schmerzen, aber die Wucht warf ihn trotzdem zu Boden, wo er sich einmal überschlug, dicht neben dem Abgrund auf dem Rücken liegenblieb und zu Lady X hoch starrte. Sofort ließ sich die Vampirin auf die Knie fallen.
Und sie streckte die Waffe vor, so daß die Mündung genau einen Kreis zwischen die Augen des Vampirs drückte.
»Wenn du jetzt nicht still bist«, flüsterte die Blutsaugerin scharf, »zerfetze ich deinen verdammten Schädel. Dann lege ich dich um! Eine Hilfe
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