0219 - Lupinas Sohn
Lupina tanzte unter den Einschlägen der Silbergeschosse. Lady X, denn keine andere war es, hielt voll auf ihre Gegnerin.
»Die Rache der Mordliga!« brüllte sie in das Stakkato der Schüsse hinein. Ich feuerte ebenfalls.
Auf dem Rücken lag ich, stützte mich mit dem linken Ellbogen ab, hatte den rechten Arm ausgestreckt und hielt auf das Mündungsfeuer, wobei ich nicht sicher war, auch getroffen zu haben. Auf jeden Fall brach die mörderische MPi-Garbe plötzlich ab, letzte Echos verwehten, und das Schweigen des Todes legte sich über den alten Steinbruch. Zwei Sekunden lang schloß ich die Augen. Ich wußte, was ich vorfinden würde, doch ich wollte es mit eigenen Augen sehen.
Im Zeitlupentempo stand ich auf. Nur wenige Schritte brauchte ich, um Lupina zu erreichen. Sie lag vor mir. Tot - vernichtet…
***
Mindestens ein Dutzend Kugeln hatten sie getroffen. Die meisten in den Rücken, und sie war dabei, sich langsam aufzulösen. Von ihrem Gesicht war kaum etwas zu erkennen, das lange blonde Haar war schon stumpf und grau geworden. Ich sah die dicken nassen Flecken in ihrem Fell und die Kreise darum, wo sich Fell und Haut auflösten, denn die geweihten Silberkugeln zerstörten alles.
»Die Rache der Mordliga«, murmelte ich, und es lief mir eine Gänsehaut über den Rücken. »Ihr entgeht niemand.«
Dann wandte ich mich ab. Mitleid empfand ich nicht, obwohl ich tatsächlich einmal in dieses Wesen verliebt gewesen war.
Sie hatte zu viele Menschenleben auf dem Gewissen…
Suko und Bill erreichten mich Minuten später. Beide waren außer Atem, und beide zogen betrübte Gesichter.
Lady X war ihnen entwischt. Ebenso Lupinas Sohn. Er hatte den Tod seiner Mutter miterleben müssen, und sicherlich würde er versuchen, Rache zu nehmen.
Mein Gott, wo sollte das noch alles hinführen?
»Auf jeden Fall besteht die Mordliga jetzt nur noch aus drei Mitgliedern«, zog Bill Conolly das optimistische Fazit. »Das ist doch auch schon was.«
»Aber die drei sind die stärksten«, erwiderte ich. Bill hob die Schultern.
Unser Gespräch spielte sich dort ab, wo Nadine Berger lag. Der Schwarzwolf hatte ihr tiefe Wunden gerissen. Sie blutete an zahlreichen Stellen, aber sie lebte. Der Kopf lag auf der Seite. Ihre Augen schauten mich mit einem flehenden und bittenden Ausdruck an. Ich lächelte, während ich mit ihr sprach.
»Wir werden dich retten, Nadine«, flüsterte ich. »Das verspreche ich dir. Du brauchst keine Angst zu haben.«
Dann bückte ich mich und nahm das schwerverletzte Tier auf beide Arme.
Nebeneinander gingen wir und verließen diesen Steinbruch. Wir hatten hier nichts mehr verloren…
ENDE des Zweiteilers
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