0219 - Lupinas Sohn
Kampf auf Leben und Tod, der etwas von einer grausamen Faszination für mich hatte. Im nächsten Moment wurde die gespannte Stille von einem wilden Fauchen, Knurren und Hecheln unterbrochen.
Die beiden Tiere kämpften verzweifelt. Sie bissen wild um sich, schlugen mit den Läufen, versuchten sich ihre Zähne gegenseitig in das Fell zu hacken und waren wie zwei Teufel. Auf dem Boden wurde der Lehm hochgewirbelt. Die Tiere hatten sich ineinander verbissen, sie bildeten ein wirres Knäuel, das sich rasend schnell bewegte, so daß ich keine Gelegenheit hatte, in den Kampf einzugreifen, weil alles zu schnell ging, denn einmal lag Nadine oben, und in der gleichen Sekunde drehte sie sich, so daß Orapul die obere Stellung einnahm.
Ich ging zögernd zwei Schritte, hatte mein Kreuz jetzt in die Hand genommen und versuchte es gegen das Fell des dämonischen Wolfs zu pressen. Nadine würde nichts passieren, denn sie konnte das Kreuz berühren, das wußte ich. Der Kampf wurde mit einer erschreckenden Erbarmungslosigkeit geführt. Das Knurren und Hecheln wurde lauter, gefährlicher, dann spritzte Blut, und an einigen Stellen war das Fell der Wölfe naß.
Nadine lag öfter auf dem Boden, und ich merkte, daß ihre Kräfte langsam nachließen, der andere war zu stark. Sie konnte den Kampf nicht gewinnen. Ich mußte selbst eingreifen!
Der Plan war einfach, doch riskant. Weil alles nicht mehr half, wolle ich mich über die beiden Wölfe werfen und sie mit dem Kreuz attackieren. Die Wahrscheinlichkeit, schon beim ersten Angriff den richtigen zu treffen, war groß. Zu lange hatte ich gezögert, denn Nadine machte mir einen Strich durch die Rechnung.
Bevor ich den Kampf für eine Seite entscheiden konnte, hatte sie ihre Kräfte gesammelt, und es gelang ihr tatsächlich, den schweren Körper des Schwarzwolfs von sich zu stoßen. Genau in dem Augenblick, als er sein Maul weit aufgerissen hatte und die langen Zähne in Nadines Hals schlagen wollte. Das Gebiß verfehlte die Wölfin. Jetzt war sie an der Reihe.
Noch einmal stieß sie zu und wuchtete den Körper in die Höhe. Orapul prallte zu Boden, überrollte sich und kam sofort wieder hoch, allerdings hetzte er auf einen der Lehmhügel zu, auf dessen Spitze er stehenblieb.
Meine Aufmerksamkeit wurde von Nadine in Anspruch genommen. Ob Orapul blutete, konnte ich nicht erkennen, bei Nadine sah ich jedoch trotz der schlechten Beleuchtung die Wunden. Wo sie sich befanden, schimmerte das Fell naß. Auch war die letzte Aktion über ihre Kräfte gegangen. Nadine schaffte es nicht mehr, sich zu erheben, und knickte immer wieder zusammen, wenn sie sich auf den Läufen halten wollte. So wurde sie für Orapul eine leichte Beute. In mir vereiste etwas. Sollte mir Nadine durch die Bestie endgültig genommen werden?
Der Haß auf Orapul wurde zu einer lodernden Flamme. Plötzlich wollte ich ihn nicht mehr mit dem Kreuz erledigen, sondern mit mehreren Silberkugeln vom Hügel putzen. Es war ein ehrliches Vorhaben, doch ich konnte es nicht ausführen, denn die Ereignisse überstürzten sich wieder einmal. Ich hatte bereits den Arm ausgestreckt, als ich eine zweite Gegnerin sah. Sie mußte ebenfalls im Schuppen gelauert haben und jagte daraus hervor.
Es war Lupina!
»Halt, John Sinclair!« brüllte sie und hetzte in langen Sprüngen von der linken Seite her auf mich zu. Ich zögerte wirklich.
Diese Chance nutzte sie eiskalt, brachte sich mit einem gewaltigen Sprung zwischen ihren Sohn und mich, breitete ihre Arme aus und schaute mich an.
»Wenn du ihn töten willst, mußt du erst mich erledigen!« sagte sie keuchend, und ihr Gesicht verzerrte sich. »Dann räume ich euch beide aus dem Weg!«
»Wirklich? Willst du mich wirklich erledigen? Denkst du nicht mal daran, daß wir uns einmal etwas bedeutet haben? Als du in mich verliebt gewesen bist?«
Ich verzog die Lippen. »Komm mir nicht mit solchen Sprüchen, Lupina. Mein Werwolfleben ist und bleibt Vergangenheit. Zudem hat es nur kurze Zeit gedauert. Nicht einmal einen ganzen Tag. Darauf kannst du nicht bauen, du bist eine Feindin und gehörst zur Mordliga!«
»Nicht mehr, John Sinclair!«
Ich zielte so, daß ich über den Waffenlauf hinweg ihren Kopf sehen konnte. »Seit wann das denn nicht?«
»Ich habe mich von Morasso getrennt und gehe meinen eigenen Weg.«
»Auf dem ebenfalls Opfer zurückbleiben«, erwiderte ich kalt. »Nein, Lupina, zwischen dir und mir gibt es nichts Gemeinsames mehr, das solltest du längst gemerkt haben. Wir sind
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