022 - Der Sarg der tausend Tode
wir?« fragte Flora Lester erschüttert. »Warum ausgerechnet wir?«
»Weil ihr euch für meine Pläne bestens eignet«, sagte die Schöne und raubte als nächstem Henry Clarke das Augenlicht.
Er brüllte auf, ließ sich auf den Boden fallen und wälzte sich auf dem Teppich, während er mit schneeweißen Augäpfeln zur Decke starrte. Dann kam Geoffrey Pryor an die Reihe.
Von den Mädchen war Brenda Mason die erste. Dann kam Stephanie Didier dran, die sich am verzweifeltsten gebärdete, ohne daß es ihr etwas nützte. Und zum Schluß verlor Flora Lester ihr Augenlicht.
Die Schöne hatte erreicht, was sie wollte. Die Schmerzen gingen schnell vorbei. Das Mädchen scharte die sechs blinden Menschen um sich und erteilte ihnen ihre Befehle, die diese gehorsam ausführen würden.
***
Meine Suche nach dem rätselhaften Mädchen verlief ergebnislos.
Ich kehrte deshalb um und konzentrierte mich wieder auf die andere Suche, doch ich fand weder die Spur einer Ratte noch eine Spur von Fystanat.
Mir blieb also nur, zu hoffen, daß Mr. Silver mehr Erfolg hatte als ich. Da er seine Hälfte auch bald fertig abgesucht haben mußte, beschloß ich, zu meinem Wagen zurückzugehen und dort auf die Rückkehr des Ex-Dämons zu warten.
Nach wie vor ging mir das hübsche Gesicht dieses geheimnisvollen Mädchens nicht aus dem Sinn. Ich nahm mir vor, Mr. Silver dieses Antlitz zu beschreiben. Vielleicht konnte er sich daran erinnern.
Während des Rückwegs sorgte ich mich immer mehr um Fystanat. Wir waren nicht rechtzeitig am Ort des Überfalls erschienen.
Die Monsterratten hatten reichlich Zeit gehabt, den Mann aus der Welt des Guten zu attackieren.
Viele Hunde sind des Hasen Tod. Und viele Ratten… Ich zog die Schultern hoch, denn ein kühler Wind blies durch die Straße. Meine Laune war denkbar schlecht.
Sie würde sich erst wieder bessern, wenn ich wußte, daß es Fystanat gutging, aber daran wagte ich im Moment nicht zu glauben.
Die Zeichen standen schlecht für ihn.
Ich bog um die Ecke und sah meinen Peugeot. Und noch jemand sah ich. Einen Kerl, der sich soeben in meinen Wagen setzte. Nicht Mr. Silver! Es mußte sich um einen Autodieb handeln.
Na, der kam mir gerade recht. Ich würde an ihm meine üble Laune auslassen, das stand fest. Aggressiv lief ich auf mein Fahrzeug zu, riß die Tür auf, krallte meine Finger in das Jackett des Kerls und zerrte ihn heraus.
Ich rammte ihn gegen den Peugeot und holte aus, um ihm einen Faustschlag zu versetzen, aber dann blieb meine Faust in der Luft hängen, denn der Mann schockte mich mit seinem Aussehen.
Er war blind, hatte nur schneeweiße Augäpfel. Das war nicht normal. Noch nie kam mir zu Ohren, daß ein Blinder ein Auto gestohlen hatte. Irgend etwas stimmte hier nicht.
»Was hatten Sie vor?« fragte ich den Mann schneidend.
Er knurrte feindselig und versetzte mir einen Stoß. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer grausamen Fratze. Ich taumelte zurück und prallte gegen ein Hindernis.
Zwei Mädchen waren es, ebenso blind wie der Kerl, der sich an meinem Wagen vergriffen hatte. Sie packten mich und hielten mich fest. Mir dämmerte es.
Die Monsterratten – diese rätselhaften Blinden, die mich auf eine mir unbegreifliche Weise sehen konnten… Das war eine Horrorshow des Bösen. Für diese Inszenierung war die schwarze Macht verantwortlich. Auch die geheimnisvolle Schöne gehörte mit in dieses Spiel.
Der Mann, der mich von sich gestoßen hatte, kam auf mich zu.
Ich versuchte mich von den beiden Mädchen loszureißen, doch sie waren viel kräftiger, als sie aussahen.
Der Kerl trat vor mich hin und schlug grinsend mit den Fäusten auf mich ein.
Mein Magen krampfte sich zusammen. Die Luft wich pfeifend aus meinen Lungen.
Ich spannte die Bauchmuskeln, die der Mann mit eisenharten Fäusten weichzuklopfen versuchte. Zu meiner großen Überraschung und meinem schlimmen Entsetzen tauchten hinter meinem Wagen noch drei Blinde auf.
Zwei Männer und ein Mädchen, und ihnen allen schien nur eines eingeimpft worden zu sein: mich fertigzumachen. Ein Faustschlag traf meinen Kinnwinkel und riß mir beinahe den Kopf ab.
Ich stöhnte. Die weiteren drei Blinden eilten um meinen Peugeot herum.
Auch sie wollten das Ihre dazu beitragen, daß ich mit wehender Fahne unterging.
Bevor sie mich erreichten, benützte ich die beiden Mädchen, die mich festhielten, als Stütze. Ich stemmte mich in ihrem Griff hoch, hob gleichzeitig beide Beine, zog sie an und rammte sie dem Kerl gegen die Brust,
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