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022

Titel: 022 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flucht vor dem Teufel
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reiten gelernt, die Kunst der Falknerei, zu singen und auf der Laute zu spielen, sogar zu lesen und zu rechnen. Er hatte sie geneckt und mit ihr gelacht und mit jedem gekämpft, der ihre Gefühle verletzt hatte. Aber sein Leben hier war hart gewesen, und ihm zuliebe müsste sie froh sein, dass er die Möglichkeit hatte, sich zu verbessern.
    Erschrocken erkannte sie, derart an ihn gewöhnt zu sein, dass sie nicht bemerkt hatte, dass er fast zu einem Mann herangewachsen war. Ausgestreckt war er viel größer, als sie gedacht hatte. Sie betrachtete die zerzausten Strähnen seines kurz geschnittenen blonden Haars, die feinen, wie gemeißelten Züge seines Gesichts, das bereits Kraft und gutes Aussehen bekundete, und zwar so sehr, dass der Priester ihn dazu ausgewählt hatte, zu Weihnachten den Erzengel Michael beim Krippenspiel darzustellen. Er hatte ein gut geschnittenes Kinn, ebenmäßige Zähne, eine gerade Nase und einen flaumigen Bart, den er hasste. Aber vor allem hatte er schöne blaue Augen.
    Als sei er sich Eleanors Gedanken bewusst, schlug er die Lieder auf und rollte sich auf die Seite. Durch die Bewegung zeigte sich das Spiel seiner Muskeln an Armen und Schultern. Er stützte sich auf einen Ellbogen. Frische Prellungen verunstalteten seine Haut am Brustkasten und hatten zu Schwellungen an den Oberarmen geführt.
    Ein trockenes Lächeln lag um seine Mundwinkel. „Lea, seit du geboren wurdest, warst du nicht so still."
    „Ich habe soeben gedacht, dass du von der Wand dort drüben hättest herunterfallen können und dennoch nicht so blau und grün gewesen wärst", erwiderte sie scherzhaft.
    „Ja. Belesme führt sein Schwert mit einer Kraft, die du unglaublich fändest. Einige dieser Hiebe habe ich sogar durch Walters Schild abbekommen. Jesus!" Roger schien eine besonders hässliche Stelle zu betrachten. „Ich dachte, Belesme wolle mich vor den Augen des Herzogs der Normandie töten."
    „Wahrscheinlich wollte er das. Prinz Henry sagte, Belesme sei sehr grausam."
    „Prinz Henry sagte", machte Roger Eleanor nach. „Bei den Minnemalen Christi, Lea.
    Kaum hast du ein Mitglied des Königshauses getroffen, kannst du nur über diese Person reden."
    Gekränkt erwiderte sie: „Das habe ich nicht getan. Ich habe ihn vorher nicht einmal erwähnt. Roger, was ist denn mit dir
    los?"
    „Du speist heute Abend mit ihm, teilst sogar sein Schneidebrett mit ihm. Sei vorsichtig, Lea."
    „Wovor?"
    Der Ausdruck in den blauen Augen war ernst. „Herzliebste Schwester, du bist sehr schön und zeigst bereits Anzeichen, zu einer Frau heranzureifen. Henry mag erst siebzehn sein, aber er hat bereits einen Bastard gezeugt. Wenn er dich wohlwollend anschaut, solltest du dich fragen, warum er das tut. Liegt das daran, weil du süß und gut bist? Oder liegt es daran, weil er dich haben will?"
    „Roger!"
    „Hör zu, Lea. Ich bin fast sechzehn, und auch ich fühle mein Blut sich regen. Er mag ein Prinz sein, aber er ist ein junger Mann wie ich."
    Sie war bestürzt. „Du stellst das als etwas so Gemeines hin. Roger ..." Ihre Augen waren weit aufgerissen, als sie seinen Blick suchte. „Du denkst doch nicht so von mir, oder doch?"
    Er schien sich seine Worte sorgfältig zu überlegen. „Ich liebe dich, Lea. Ich habe dich immer geliebt. Ich werde dich immer lieben. Ich würde dich beschützen, ganz gleich, um welchen Preis, und dir nie wehtun."
    „Und deine Gattin wird mich hassen."
    Abrupt änderte sich seine Stimmung. Er setzte sich aufrecht hin und zog sich an einem tief hängenden Ast auf die Füße. Dann hielt er Eleanor die Hand hin und äußerte leichthin: „Ich bezweifele, dass ich eine Gattin haben werde, Lea, es sei denn, sie ähnelt dir sehr."
    Sie bückte sich und hob seine schmutzige Tunika aus dem Gras auf. Das raue Gefühl des Stoffes erinnerte sie daran, dass er und alle seine Habseligkeiten bald aus Nantes fort sein würden. Ihre Entschlossenheit, sich vor ihm nichts anmerken zu lassen, brach in sich zusammen.
    „Oh, Roger! Ich kann es nicht ertragen, dich fortziehen zu sehen", jammerte sie, während sie sich ihm an die Brust warf. „Ich schwöre, ich kann das nicht aushalten."
    „Möchtest du, dass ich bleibe?" fragte er leise, während er sie in die schmerzenden Arme schloss.
    „Ne . . . in", lautete die gedämpfte Antwort, ehe Eleanor in Tränen ausbrach.
    „Schon gut", murmelte er, derweil er ihr über das dunkle Haar strich. „Lea, ich wünschte, ich müsste nie fort und wir könnten immer zusammenbleiben,

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