0220 - Die Stunde der Ghouls
durchzuckte es Pamela Button.
Er war es! Er sehnte sich nach ihr. Und um kein Aufsehen zu erregen kam er heimlich ans Fenster.
»Zamorra?!« rief die Engländerin halblaut.
Wieder das schabende Geräusch. Das mußte etwas bedeuten. Ja, gewiß. Er wollte ihr etwas mitteilen. Oder die Frau etwas fragen. Oder…
»Zamorra?!« rief Pamela noch einmal. Geschmeidig erhob sie sich von ihrem Bett. Das leichte Négligé in zartrosa ließ bei Berührungen die Konturen hervortreten.
»Warte. Ich komme, Geliebter…«, sagte sie und ging zum Fenster. Halb schob sie den Kopf aus der Fensteröffnung.
»Zamorra!« rief sie noch einmal halblaut.
Dann wurde ihr klar, daß der Alptraum ein prophetischer Traum gewesen war. Der Wahnsinn wurde Wirklichkeit.
Es war das letzte, was sie in ihrem Leben dachte.
Über ihre Leiche drangen die Ghouls durch das geöffnete Fenster in Scharen in das »Winter-Palace« ein.
Der Tod wandelte durch die Gänge des Hotels…
***
Vorsichtig spähte Michael Ullich durch die äußeren Säulen des Tempels. Sein Körper war in höchster Alarmbereitschaft. Angestrengt lauschte er in die Nacht.
Der Schrei… die Schüsse. Und die fürchterlichen, nur zu gut bekannten Geräusche…
Sie waren gekommen. Und sie suchten ihre Opfer.
»Wir müssen zum Hotel!« raunte Michael Tina Berner zu. »Bei Professor Zamorra sind wir in Sicherheit… vorerst wenigstens!«
»Hoffentlich«, hauchte das Mädchen. Zwei dicke Tränen standen in ihren Augen. »Ich habe ja solche Angst, Micha…«
»Wir müssen schnell wieder über den Zaun, ehe sie uns sehen«, entwickelte Michael Ullich einen Plan. »Vielleicht können wir uns an ihnen vorbeischleichen. Wenn nicht… ich lenke sie ab!«
»Aber… das ist dein Tod, Micha!« stammelte das Mädchen und sah ihn angstvoll an.
»Dann müssen die Ungeheuer erst mal zehn Kilometer unter fünfunddreißig Minuten laufen«, bemerkte der passionierte Langstreckenläufer. »Und wie die so rumschleichen, dürfte ihnen das schwer fallen. Ich rechne mir ganz gute Chancen aus!«
»Und ich?« wollte das Mädchen wissen.
»Du läufst wie vom wilden Affen gebissen ins Hotel!« versuchte Ullich zu scherzen. »Und da sorgst du dafür, daß Bier kalt gestellt wird. Nach dem Laufen bin ich nämlich immer durstig.«
Er gab ihr einen Kuß auf die Stirn.
»Los jetzt!« sagte er. »Bleib ganz dicht hinter mir!«
Zwei Schatten gleich huschten sie aus den Ruinen des alten Tempels, dessen Schatten ihnen eine Art Schutz gewährt hatte. Ein Sprung, ein Klimmzug und Michael Ullich hatte den Zaun erstiegen. Ungeduldig winkte er Tina. Wie vorhin zog er sie mehr als sie kletterte über den Zaun.
»Spring jetzt. Schnell!« ermahnte er, als sie mit ihm rittlings auf dem Zaun saß.
»Ich traue mich nicht!« piepste es.
»Gut. Dann springen wir eben zusammen!« knurrte er. »Eins - zwei -drei - und los!«
Hand in Hand sprangen sie in die Dunkelheit. Es waren höchstens zweieinhalb Meter. Aber da gerade eine düstere Wolke den Mond bedeckt hatte, herrschte gerade eine sprichwörtliche ägyptische Finsternis. Man konnte wirklich nicht die Hand vor Augen sehen.
Deshalb sahen Michael und Tina auch nicht direkt, wohin sie sprangen. Aber sie spürten es.
Denn unter ihnen begann es zu leben.
Ein eisiger Schreck raste in Michael Ullich hoch, als ihn unzählige Klauen ergriffen. Neben ihm schrillte Tina Berners Angstschrei.
Stinkender Pestatem schlug ihnen entgegen.
Die Leichenfresser hatten ihr Opfer gefangen…
***
Der erste Schrei, der im ganzen Hotel gehört wurde, machte Zamorra klar, daß die Schlacht fast verloren war.
Denn dieser Schrei der Todesangst konnte nur eines bedeuten. Sie hatten es geschafft. Sie waren eingedrungen.
Das Hotel gehörte ihnen.
Von der breiten, elegant geschwungenen Freitreppe, die in das Obergeschoß führte, stürmte ein Pulk schreiender Menschen. Das nackte Grauen stand in ihren Gesichtern geschrieben.
Sie schrien und brüllten in babylonischer Sprachverwirrung durcheinander. Jeder wollte dem anderen zuerst von dem Entsetzlichen berichten. Und manch einer von ihnen wies bereits Blutspuren auf. Nur durch schnelle Flucht waren sie den Ghouls entkommen.
Wo war Hilfe? Wo war Rettung? Wer immer diese Biester waren - sie waren stark. Zu stark. Und sie kannten kein Mitleid.
»Hinter mich!« brüllte Zamorra. »Kommt alle hinter mich!«
Und wie Ertrinkende nach dem Strohhalm greifen, so suchten die Hotelgäste und auch das Personal hinter dem Parapsychologen
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