0222 - Schlucht der stummen Götter
ihnen nie gelingen, den Bann der Felsen zu lösen. Sie konnten nur ihre Gesichter zeigen und dem Eisernen Engel, ihrem Sohn, damit beweisen, daß sie noch vorhanden waren.
»Ich weiß, daß ich tief in eurer Schuld stehe«, sagte der Eiserne.
»Sehr tief sogar, und ich werde alles daransetzen, um einen kleinen Teil dieser Schuld abzutragen. Ihr habt mich erschaffen, euch verdanke ich meine Existenz, deshalb sagt mir, was ich tun soll, um die Feinde zu besiegen.«
Da war wieder die Stimme seines Vaters. Sie klang genau vor ihm auf und drang aus einem Mund, der zu einem uralten Gesicht gehörte, das mit Falten übersät war, die sogar innerhalb des Gesteins zu sehen waren.
Auf dem kupferfarben leuchtenden Gesicht des Eisernen Engels zeichnete sich die Qual ab, die er empfand, als er seinen Schöpfer, den Vater, so sah. Denn in diesen Augenblicken mußte der Eiserne Engel einsehen, daß er und seine Schöpfer verloren hatten. Die Geister waren Gefangene einer Ewigkeits-Magie, sie konnten nicht mehr aktiv in den Kampf mit eingreifen, sondern nur Ratschläge geben, wie sich die Wesen zu verhalten hatten, die für die Sache des Lichts stritten.
»Du weißt, mein Sohn, daß die alten Zeiten nicht mehr zurückkehren. Wir sind die Gefangenen und werden es auch bleiben. Zusammen mit den Großen Alten sind wir in verschiedene Welten geschleudert worden, allerdings gelang es unseren Gegnern, sich einen großen Teil der Freiheit zu erhalten. Sie bilden innerhalb der Leichenstadt ein festes Gefüge und lassen sich von keinem mehr einschüchtern. Sie haben die Angst der letzten 10.000 Jahre abgeschüttelt, jetzt machen sie sich daran, die Menschheit zu unterjochen. Dies ist allerdings mit großen Schwierigkeiten verbunden und kann nur schrittweise ablaufen. Auch die Leichenstadt ist bestimmten magischen Gesetzen und Ritualen unterworfen, so daß es ihr und ihren Bewohnern nicht möglich ist, sie ohne weiteres zu verlassen. Eine Vorhut wurde bereits ausgeschickt. In einem Land, das die Menschen Spanien nennen, haben vier Dämonen aus der Geisterstadt bewiesen, zu wessen sie alles fähig sind. [2] Zum Glück haben John Sinclair und sein Freund Suko es verhindert, wie du sicherlich weißt, mein Sohn.«
»Ja, Vater.«
»Damit haben die Mächtigen der Leichenstadt noch längst nicht aufgegeben. Nicht ohne Grund hinterließen sie auf dieser Welt zahlreiche Spuren. Man muß sie nur zu finden wissen und natürlich nach ihnen suchen. Eine Spur ist der geheimnisvolle Brunnen, dessen Magie allerdings jetzt verschlossen bleibt. Doch es wurde eine weitere gefunden. In einem Land, das die Heimat des John Sinclair ist, gibt es einen Kristall. Es ist der magische Schlüssel zur Leichenstadt. Er ist jetzt frei, das konnten wir erfahren, und wir möchten, daß du den Schlüssel an dich nimmst. Wer ihn besitzt, kann die Leichenstadt betreten.«
»Ist der Schlüssel gesichert?« fragte der Eiserne Engel.
»Ja, der Kristall war gesichert. Seinen Hüter nannte oder nennt man das blaue Skelett: ein ehemaliger Fährmann, der Menschen getötet und ausgeraubt hat. Die Schätze hat er dort vergraben, wo auch der Schlüssel zur Leichenstadt lag. Er geriet in den Bann dieses Kristalls, wurde zum Skelett und gleichzeitig dazu verdammt, für immer zu leben und den Schlüssel so lange zu bewachen, bis ihn ein anderer an sich nimmt. Dieser Schlüssel ist einer der wenigen Verbindungsglieder zwischen der normalen Welt und der Leichenstadt.«
»Dann trägt das blaue Skelett jetzt den Schlüssel noch immer bei sich?« vergewisserte sich der Eiserne Engel.
»Noch, aber er wird ihn nicht mehr lange behalten. Auch die Dämonen der Leichenstadt wissen inzwischen, daß sich die Vorzeichen geändert haben. Es ist ihnen bekannt, daß der Kristall nicht mehr verborgen liegt, sondern herumgetragen wird. Das ist natürlich ein gefährliches Vorhaben, zu leicht kann es anderen gelingen, in den Besitz des Schlüssels zu kommen. Zwar benötigt man einen Zauberspruch, um in die Leichenstadt zu gelangen, aber auch dieser Spruch läßt sich finden. Leider ist uns nicht bekannt, wo er verborgen liegt, allein seine Existenz bedeutet eine Gefahr für die Großen Alten, deshalb haben sie reagiert und einen der Ihren losgeschickt, um zu verhindern, daß der Schlüssel in die falschen Hände gerät.«
»Wer ist es?« fragte der Eiserne Engel.
»Kalifato!«
»Der Todesbote?«
»Ja, sie nennen ihn so, denn überall, wo er auftritt, bringt er den Tod. Er gehört zu den sehr
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