0224 - Fluch der Erdgeister

Titel: 0224 - Fluch der Erdgeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa

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Ortsbestimmung zu machen. Der Wer-Löwe kommt aus dem Norden.«
    Zamorra winkte ab.
    »Löwen haben es so an sich, daß sie in der Steppe leben.«
    »Aber es ist kein Löwe, sondern ein Löwenmensch«, wandte Nicole ein.
    »Sicher«, brummte Zamorra. »Hat das Polizeilabor auch den genauen Ort festgestellt?«
    Seine Stimme klang etwas bissig. Normalerweise hatte er zur Polizei ein gutes Verhältnis. Aber in diesem Fall war der untersuchende Kommissar ein Mann, der nicht viel von Weißen hielt, und Zamorra hatte wohl vergessen, ein genügend hohes »Freundschaftsgeld« zu zahlen. Jedenfalls sah dieser Kommissar sein Auftauchen mit großem Unbehagen. Er mochte es nicht, daß der Parapsychologe auf seine Weise versuchte, den Mörder ausfindig zu machen.
    »Verschwinden Sie mit Ihren Hirngespinsten«, hatte er Zamorra angefaucht. »Wer-Löwen… wo gibt es denn so etwas? Da hat jemand nur auf eine uralte Masche zurückgegriffen.«
    So mußte Zamorra zurückstecken. Er konnte sich nur an das halten, was die Zeitung berichtete, und das war nicht gerade viel. Die Opfer selbst konnten nicht mehr reden, und die Reporter selbst schwiegen sich aus. Sie wollten selbst etwas wissen, kein gesammeltes Wissen preisgeben.
    Jetzt schien es, als habe Bill zumindest einen Teilerfolg errungen.
    »Nun, so weit sind sie nicht«, brummte Bill. »Aber die ungefähre Richtung liegt fest. Hast du so etwas wie eine Landkarte da?«
    Der Parapsychologe ging zu seinem Aktenkoffer, öffnete ihn und zog eine Übersichtskarte hervor, die er auf dem Tisch ausbreitete.
    Bill sah auf die Linien und Punkte. Dann tippte er nacheinander auf mehrere Stellen.
    »Hier, da und dort. Diese drei Dörfer kommen in Frage. Sie sind nicht zu weit von der Stadt entfernt, und nur dort gibt es diesen Sand, der…«
    »Was ist mit dem Sand?« wollte Nicole erneut wissen. »Ist er rötlich?«
    »Ein bißchen, glaube ich«, sagte Bill. »Kein richtiges Rot, sondern mehr eine Tönung.«
    Nicole warf Zamorra einen Blick zu.
    »Dann könnte der Traum doch mit dieser Sache zu tun haben«, sagte sie. »Der Sand in meinem Alptraum war doch auch rötlich.«
    Zamorra nickte.
    »Dann könnte also wirklich etwas dran sein«, brummte Zamorra. »Wir sollten uns diese Dörfer einmal näher ansehen.«
    ***
    Das Innere der Hütte war dunkel.
    Kein Lichtstrahl fiel hinein. Wohl gab es Tür und Fenster, aber die vorgezogenen Fellvorhänge ließen kein Licht durch.
    Es war auch nicht nötig. Der Medizinmann, der mit untergeschlagenen Beinen in der Mitte der Hütte kauerte, wußte auf den Millimeter genau, wo sich jeder Gegenstand befand. Er mußte es auch wissen. Denn er war blind.
    Er sah auf eine andere Weise. Er sah mit seinen Gedanken, und diese zeigten ihm weitaus mehr, als jedes Auge ihm jemals nahebringen konnte. Er sah durch die Wände seiner Hütte hindurch in eine andere Welt.
    Weil diese andere Welt hereinkam, mußte es dunkel sein. Drüben gab es kein Licht. Licht war zerstörerisch.
    Der Medizinmann bewegte die Lippen.
    »Ore yo mnoog ieeto sko ghorogh…«
    Tief und dumpf klangen die Worte. Sie entstammten nicht der Sprache des Dorfes. Sie waren älter, viel älter. Tausend mal tausend Jahre und mehr, so alt wie jene andere Welt, in die der Medizinmann jetzt sah.
    Immer wieder murmelte er die Worte der alten Sprache, die längst in der Erinnerung der Menschen geschwunden war. Der Stamm wußte nichts mehr davon. Nur die Medizinmänner waren eingeweiht, und er, Mbus, war der Größte unter ihnen. Er allein war es, dem die Geister antworteten.
    Die Erdgeister…
    Und jetzt sprachen sie zu ihm. Sie hatten seinen Bericht entgegengenommen und antworteten ihm.
    Er verneigte sich, bis sein Gesicht den Sandboden seiner Hütte berührte. Dann war es vorbei.
    Mbus, der blinde Medizinmann, wußte, daß er vorsichtig sein mußte.
    Und am Pfahl mit den geschnitzten Dämonenfratzen öffneten sich die Augen der hölzernen Gesichter…
    ***
    »Wir sollten uns über unser Vorgehen klarwerden«, sagte Nicole. Sie sah Bill und Zamorra auffordernd an, welcher sich in einen Tropenanzug geworfen hatte. »Auf die Unterstützung der örtlichen Polizei dürfen wir nicht rechnen, auch wenn Bill es geschafft hat, sich beim Kommissar einzuschmeicheln. Im Gegenteil. Falls sich jemand über uns beschwert, besteht die Möglichkeit, daß wir als personae non grata, also als unerwünschte Personen, des Landes verwiesen werden.«
    Zamorra nickte.
    »Trotzdem müssen wir jedem Hinweis nachgehen«, sagte er.