0227 - Gefangen in der Totenstadt
»Mag der Hades seine Seele holen. Feierlich verstoße ich ihn aus dem Bund derer, die Jupiter wieder zum Herrn des Olymp machen wollen.«
»Nieder mit Sejano!« riefen verschiedene Stimmen. Mit erhobenem Arm gebot Antonio Gigli Ruhe. Langsam nahm er den Goldreif, der ihn eben vor dem dämonischen Feuer gerettet hatte, wieder ab. Wie ein Triumphator den Lorbeerkranz hielt er ihn.
»Heute, meine Freunde, habe ich das gefunden, was uns endgültig legitimiert, das Erbe des alten Rom anzutreten. Ihr seht in meiner Hand das, was der Ewigen Stadt einst die Herrschaft über die ganze Welt verschaffte.«
Langsam ging er im Kreise seiner Gläubigen umher und zeigte allen den Goldreif, in den geheimnisvolle Schriftzeichen eingeprägt waren. Die Menschen in den Kapuzen hielten den Atem an.
»Das, meine Brüder und Schwestern, ist die Krone des Romulus. Am Tage, als er diese Stadt gründete und seinen Bruder Remus erschlug, drückte er sie sich aufs Haupt. Alten Überlieferungen zufolge soll sie auf den alten König Latinus zurückgehen, der sie einst von Saturn, dem vor Jupiters Zorn flüchtigen Gott, erhalten hat!«
»Diese Krone!« durchraste es Amun-Res Gehirn. »Ich kenne die Krone. Sicherlich mag sie von irgendwelchen Herrschern vergangener Epochen getragen worden sein. Aber sie ist älter. Viel älter. Sie stammt aus der Zeit, bevor Atlantis versank. Ich muß sie besitzen. Vielleicht hilft sie, meine Gedächtnislücken wieder zu füllen. Habe ich mein einstiges Wissen wieder, wird mich nichts mehr aufhalten können. Gar nichts. Auch nicht dieser Zamorra… !«
»Alle Könige Roms trugen diese Krone!« hörte Amun-Re wieder wie von fern die Stimme Antonio Giglis. »Nachdem Romulus als Gott Quirinius mit dem Feuerwagen des Gottes Mars zum Himmel gefahren war, trug sie der weise König Numa Pompilius. Nach ihm Tullus Hostilius, Lucius Tarquinius Priscus und Servius Tullius. Als dann die Römer Lucius Tarquinius Superbus, den Stolzen, davonjagten und die Republik errichteten, wurde die heilige Krone auf dem Kapitol im Tempel des Jupiter aufbewahrt. Der Donnerer selbst sollte als einziger das Königtum der Siebenhügelstadt besitzen. Und siehe, die Krone spendete von dort ihren Segen und ließ Rom gedeihen!«
»Die Krone muß mir gehören. Nur mir!« knirschte Amun-Re bei sich.
»Niemand konnte Rom vernichten, solange die Krone im Tempel lag!« rief Antonio Gigli. »Die Gallier unter König Brennus berannten das Kapitol vergeblich. Hannibal stand zwar vor den Toren, aber er mußte wieder abziehen. Und auch die Kimbern und Teutonen, die wie eine anrückende Walze alles vernichteten, wurden gestoppt. Aber dann kam der Tag, da Marcus Antonius sie dem größten der Römer, Gajus Julius Cäsar, anbot. Man wollte den großen Cäsar zum König von Rom machen. Aber dreimal lehnte Cäsar ab. Und er befahl, die Krone wieder zum Heiligtum des Jupiter zurückzubringen, damit sie von dort dem Staat weiterhin Segen spenden könne. Auf dem Weg zum Kapitol aber wurde die Krone geraubt… !«
Wenn er sie mir nicht gutwillig gibt, dann stirbt er! dachte Amun-Re bei sich. Wenn ich nur wüßte, was es mit diesem Kronreif wirklich auf sich hat…!
»… damit, meine Freunde, begann der Niedergang Roms. Und das Ende der alten Götter. Mit dem Verschwinden der Krone des Romulus begann der Untergang des Römischen Reiches. Unter den lasterhaften Launen unfähiger Kaiser und den niedersausenden Schwertern der Barbaren wurde das Imperium zertrümmert. Jetzt aber, meine Schwestern und Brüder, ist die Krone wiedergefunden. Und mit ihrer Macht wird Jupiter aufs neue regieren. Die Kirchen der Stadt werden zu Tempeln der alten Götter und… !«
»Du bist nicht würdig, diese Krone zu tragen, Gigli!« klirrte Amun-Res Stimme. »Du magst zwar ein brauchbares Werkzeug sein - ein Werkmeister aber bist du sicher nicht. Her mit der Krone!«
Während Antonio Gigli noch nach Atem rang, fiel Amun-Re schlagartig ein, was es mit der Krone für eine Bewandtnis hatte.
Sie stammte wirklich noch aus der Zeit vor der großen Kontinentalkatastrophe. Er hatte damals nur Abbildungen davon gesehen, sie aber in seinem Leben nie berührt.
Denn in den Tagen des alten Atlantis war es das Würclezeichen des Hohenpriesters von Weridar gewesen. Auf den hochragenden Türmen der Hauptstadt Waloch vermochten die Priester von Weridar, mit den Sternen zu reden. Heute aber war das Reich der schweigenden Türme ganz dem Gedächtnis der Menschen entschwunden.
Der Herrscher
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