0227 - Gefangen in der Totenstadt
Textilien, wie sie angab. Sie nannte einige komische Namen wie Dior, Courrège und andere, die ich nicht kenne. Tut mir wirklich leid, Monsieur Zamorra, aber… !«
»Schon gut«, beendete der Parapsychologe das Gespräch. »Hüten Sie meine Domäne, Raffael!«
Mit einem Stoßseufzer ließ er den Hörer auf die Gabel fallen.
»Wenn man eine Frau allein läßt… !« stöhnte er. Denn er war nach Rom gefahren, um sich den Studien der alten Schriften hinzugeben. Und da Nicole Duval, die bezaubernde Französin, einen großen Verschleiß an teuersten Produkten der Textilindustrie hatte, war Rom für sie ein denkbar ungeeignetes Pflaster.
In den großen Salons von Rom wurde die Mode gemacht, auf die Frauenaugen aus aller Welt blickten. Und Nicole blickte nicht nur - sie kaufte auch. Denn daß sie sich in einem solchen Mode-Mekka nicht mit Kleidern von der Stange abgab, war selbstredend.
Wenn möglich, mußten es die Modellkleider sein, denen noch die Wärme und der Parfümgeruch vom Körper des Mannequins anhaftete.
Das hatte für Professor Zamorra den Vorteil, daß seiner Begleiterin nie ein weibliches Wesen im gleichen Textil begegnen konnte. Eine entsetzliche Vorstellung in den Augen einer Frau.
Nachteilig war aber nicht nur, daß Nicole die Blicke der gesamten Männerwelt nachfolgten, sondern daß solche Gelegenheitskäufe sich mächtig auf der linken Seite von Zamorras Kontoauszügen bemerkbar machten. Auch als Eigentümer eines Loire-Schlosses und Inhaber des Professorentitels besaß er doch kein Tischleindeckdich oder eine Henne, die goldene Eier legte.
Bedingt durch die vielen Reisen des Dämonenjägerpaars war genügend leidiger Schriftverkehr angefallen. Zamorra, der verzweifelt einen Ausweg aus dem sich anbahnenden römischen Modefiasko suchte, erinnerte sich daran, daß Nicole, jetzt seine Lebensgefährtin und Mitkämpferin gegen die Schwarze Familie, ja eigentlich bei ihm als Tippse in Lohn und Brot stand.
Zähneknirschend hatte die hübsche Französin eingewilligt, auf Château Montagne bürotechnisch »rein Schiff« zu machen. Beruhigt war der Meister des Übersinnlichen von Lyon abgeflogen.
Nicole hatte wochenlang ausreichende Beschäftigung. Die Bewältigung seiner Postberge war mit der Arbeit des Sisyphus vergleichbar. Wie in der Unterwelt, deren Felsen stets vor Erreichen des Gipfels seinen Händen entgleitet und wieder zu Tal stürzt, so zog ein Brief, den Professor Zamorra beantwortete, deren mindestens drei nach sich.
Nicole Duval stöhnte auf, als sie sich einen ersten Überblick über das Korrespondenz-Fiasko verschafft hatte. Ihr Chef führte einen Briefwechsel wie ein Teenie-Star mit seiner Fan-Gemeinde.
Im nächsten Augenblick schrillte das Telefon. Am anderen Ende war Carsten Möbius, einziger Erbe eines Millionenkonzerns.
»… wollte ich fragen, ob du Gabi Hofer nicht in Paris bei einigen Einkäufen behilflich sein könntest…«, hörte Nicole die Stimme aus Deutschland. Und ob sie konnte. Denn Gabi Hofer war Carstens Sekretärin und daher eine Berufskollegin. Außerdem teilte sie ihren Modefimmel. Mochte dieser und jener wissen, was den sonst so sparsamen Carsten Möbius bewogen hatte, großzügig zu sein. Ein solches Angebot konnte Nicole Duval einfach nicht ausschlagen.
Wenn es Carsten Möbius übers Herz brachte, seiner Sekretärin eine Shopping-Tour in Paris zu ermöglichen, warum sollte sie, die Schreibkraft eines Weltexperten für Parapsychologie, da zurückstehen?
Hat sich was mit Arbeit!
Zamorra beschlich das kalte Grausen, wenn er an die zu erwartende Einkaufsorgie bei den Modepäpsten von Paris dachte. Diese Frau konnte wahrlich einen Mann zum Millionär machen. Er mußte nur vorher Multimillionär gewesen sein.
Das konnten teuer erkaufte Studientage alter Fragmente werden.
Mit einem Ruck stand Professor Zamorra auf. Er beschloß, die drückende Sorge, inwieweit sein Konto bis zum jetzigen Stand schon geschrumpft war und ob er seinen geliebten Opel Senator zum Leihhaus würde fahren müssen, aus seinem Kopf zu verbannen.
Eine prickelnde Dusche ließ ihn wieder zu sich selbst finden.
Wie flüssig gewordene Diamanten perlte das Wasser von Zamorras Körper ab, der jeden Athleten vor Neid erblassen ließ.
Zwar besaß er nicht die Muskelpakete eines Body-Building-Gewaltigen, aber der schlanke, muskulöse Körper des Franzosen hätte manchen großen Bildhauer der Antike und der Renaissance dazu gereizt, ihn in Stein für die Ewigkeit festzubannen.
Der Fitneßraum
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