0227 - Gefangen in der Totenstadt
auf Antonio Gigli.
»Asmodis, Fürst der Finsternis! Siehe, dein treuer Diener sendet dir noch einen Narren…!«
Gelbliche Schwefelflammen schlugen aus Sejanos Hand hervor und rasten auf Antonio Gigli zu. Aber der Italiener tat in diesem Augenblick unbewußt das Richtige. Er riß das, was er sorgsam bis jetzt unter seinem Gewand verborgen hatte, hervor.
Amun-Res Augen verengten sich zu einem schmalen Spalt, als er sah, daß sich Gigli so etwas wie einen Goldreif ins Haar drückte.
Keine Sekunde zu früh. Denn Sejanos Feuer war schon heran.
Aber anstatt den Italiener zu verzehren, schlugen die Flammen in Giglis Goldreif, so, wie ein Blitz in einen hohen Baumwipfel fährt. Und die höllische Energie wurde von dem Goldreif förmlich aufgesogen.
Antonio Gigli stand völlig unverletzt. Wieder hob seine Rechte den Revolver.
Aber in diesem Augenblick überschlugen sich die Ereignisse.
Die vier Männer, die Sandra Jamis auf dem Altar festhielten, hatten wie gebannt das Schauspiel verfolgt. Und das Mädchen hatte zur Kenntnis genommen, daß sie ihre ganze Aufmerksamkeit der Auseinandersetzung zwischen Gigli und Sejano widmeten.
Die Hände, die ihre Arme und Beine hielten, lockerten ihren Griff.
Sandra Jamis achtete nicht darauf, daß sich hier jetzt die Kräfte des Übersinnlichen bekämpften. Das Eingreifen Giglis hatte sie zwar gerettet. Aber dennoch mußte sie so schnell wie möglich verschwinden. Wenn man sie auch nicht umbrachte, so zweifelte Sandra Jamis doch nicht daran, daß der Italiener sich für die Rettung einen gewissen Dank erhoffte.
Einen Dank, den Sandra nicht bereit war, abzustatten. Denn, wie Sejano erraten hatte, sie war tatsächlich noch Jungfrau. Und sie gedachte es auch noch einige Zeit zu bleiben.
Im selben Augenblick, als der Revolver in Giglis Faust noch einmal krachte und der Dämon von der Wucht des Geschosses herumgerissen wurde, handelte Sandra Jamis.
Wie eine Pantherkatze entwand sie sich den Händen, die sie fesselten. Verständnislos starrten die Männer auf das Mädchen, das mit einigen schnellen Sprüngen dem Ausgang zustrebte.
Einer der Kuttenmänner stieß einen ärgerlichen Schrei aus, als ihn Sandra Jamis ansprang und ihm die gerade neu entzündete Fackel aus der Hand riß.
Wütendes Gebrüll scholl hinter Sandra Jamis her, als sie von der Schwärze des Ganges verschluckt wurde.
In diesem Augenblick erscholl von irgendwo eine Stimme, die nur Claudio Sejano hörte. Und er wußte sehr gut, wer da zu ihm sprach.
»Narr! Sie entkommt dir! Wage ja nicht, das mir versprochene Opfer entkommen zu lassen!«
Einen Moment schwankte Claudio Sejano hin und her wie ein Wolf, der zwei Blutfährten wittert. Dieser Antonio Gigli, über welche Macht verfügte er da? Was war das auf dem Kopf des Italieners, das hier Dämonenkräften widerstand?
Aber der Befehl des höllischen Gebieters war zu bestimmt. In seinem Zorn konnte Asmodis schrecklich sein. Fürchterlich waren seine Strafen für Versager.
Ohne sich noch um die versammelte Gemeinde zu kümmern, ohne Antonio Gigli auch noch eines Blickes zu würdigen, wandte er sich um. Während die Kapuzenmänner nur Augen dafür hatten, wie sich die Wunde, die Giglis Kugel an seiner Schulter gerissen hatte, wieder schloß, wandte er sich um.
Ohne noch ein Wort zu sagen, verschwand er in der Schwärze des Ganges.
Das Mädchen durfte nicht entkommen.
***
Unheilige Mächte waren am Werk.
Professor Zamorra wußte es wohl zu deuten, wenn sich Leonardo de Montagnes Erbe erwärmte. Im Kampf gegen Geister und Dämonen hatte es den Parapsychologen selten im Stich gelassen. Und bis heute war es Zamorra nicht gelungen, die Macht des Amuletts gänzlich auszuloten. Allein die hieroglyphenartige Schrift auf der Silberscheibe mit dem Drudenfuß und den Symbolen des Tierkreises hatten bis jetzt jeder Übersetzung standgehalten.
Das Amulett schien Professor Zamorra fortzerren zu wollen. Schnell schlüpfte der Franzose in die Kleider. Dann nahm er die an einer Kette hängende Silberscheibe ab und hielt sie, weit vorgestreckt, in der rechten Hand.
Kopfschüttelnd sahen die Menschen, die auf der Via Veneto promenierten, einen gutgebauten Mann unbestimmten Alters in Richtung der Piazza Barberini laufen.
In der Hand hielt der Mann an einer Kette einen sonderbar gleißenden Gegenstand…
***
»Er wollte die edlen Ziele unseres Bundes verraten!« rief Antonio Gigli. Seine ausgestreckte Rechte zeigte in die Richtung, in der Claudio Sejano verschwunden war.
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