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0227 - Stellas Rattenkeller

0227 - Stellas Rattenkeller

Titel: 0227 - Stellas Rattenkeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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zu ihrem Todestag bei.
    Der kam dann urplötzlich. Einer ihrer solventesten Kunden hatte Kokain mitgebracht. Cherryl war zwar nicht süchtig gewesen, doch hin und wieder nahm sie eine Prise. Das Wort Dosis gefiel ihr nicht. Prise war da besser, das hatte immer den Hauch von Schnupftabak.
    Die Prise an diesem Tag war zu stark gewesen. Sie hatte Cherryl noch im Bett umgehauen, und der solvente Kunde ergriff natürlich die Flucht. Man wußte nicht, wer Cherryl besucht hatte, aber es ging das Gerücht um, daß es sich dabei um einen Mann gehandelt hatte, der auch im Dunstkreis der Königsfamilie zu finden war.
    Falls etwas aufgeklärt wurde, dann würde man dafür sorgen, daß es nicht an die Öffentlichkeit geriet. Skandale konnte man sich nicht erlauben. Sie waren schlecht für das von Krisen geschüttelte Land.
    Und dann kam der Tag der Beerdigung. Es hatte lange gedauert, bis die Gerichtsmediziner die Leiche freigaben, erst nach einer Woche konnte sie beigesetzt werden.
    Auf dem Brompton Cemetery sollte die Beisetzung stattfinden.
    Wenn ein Callgirl starb, gibt es wohl kaum Kunden, die ihr die Letzte Ehre erweisen, dafür aber Berufskolleginnen. Irgendwie besteht zwischen den Mädchen ein ungemein starker Zusammenhalt, der Tod einer Kollegin spricht sich schnell herum, und so hatten sich an diesem Nachmittag zahlreiche Dirnen auf dem Friedhof versammelt, um Cherryl das Letzte Geleit zu geben.
    Auch Zuhälter waren vertreten. Allerdings kamen sie nicht in Trauerkleidung, sondern sahen eher aus wie Buntspechte. Was sie für elegant hielten, hatten sie angezogen. Farbene Hemden, moderne Streifen- und Karoanzüge, natürlich von den besten italienischen Modeschöpfern, und die Kränze, die von den Männern und ihren Freundinnen gespendet worden waren, hatten es in sich.
    Von dem Geld hätte eine sechsköpfige Familie zwei Monate lang essen können.
    Die Mädchen hatten auch nicht unbedingt Trauerkleidung angelegt. Wenn eine von ihnen Schwarz trug, dann wirkten die Kleider schon so aufreizend und provozierend, daß man schon wieder von dem Begriff Berufskleidung sprechen konnte. Ein Großteil des Stoffes war oft dünn wie ein Schleier und zeigte mehr, als er verhüllte.
    Vor der Leichenhalle hatte man sich versammelt. Niemand wußte, daß in der Nacht hier die Ratten ihre Bahnen gezogen hatten, und die Beerdigung der Cherryl Delano war die letzte an diesem Tag.
    Noch war die Leichenhalle geschlossen, da eine Trauerfeier für den davor Beerdigten stattfand.
    Zwölf Mädchen und vier Männer hatten sich vor der Leichenhalle versammelt. Hinzu kamen die Eltern von Cherryl und ihr kleiner Bruder Jan, der allerdings abseits stand und starr zu Boden schaute. Vater und Mutter hatten ihn in die Mitte genommen, auch sie wollten mit den Berufskolleginnen ihrer Tochter nichts zu tun haben. Sie hatten immer gewußt, wie Cherryl ihr Geld verdiente, und sie hatten sich für sie geschämt.
    Als die Trauergäste der vorherigen Beerdigung die Leichenhalle verließen und ein Sarg hinausgetragen wurde, bekamen einige Leute, die nicht unmittelbar mit dem Hinscheiden des Toten zu tun hatten, große Augen, als sie die versammelten leichten Mädchen sahen. So manch verstohlener Männerblick flog über die gutgewachsenen Girls, die sich jedoch abdrehten und mehr Pietät zeigten, als die »normalen« Menschen.
    Für den Sarg war auch gesammelt worden. Cherryl lag in einer kitschigen Totenkiste. Schwarz mit Gold und Silberrändern.
    Allerdings war davon nicht viel zu sehen, da die Masse der Kränze den Sarg fast erdrückte.
    Man konnte die Leichenhalle betreten. Es war Orgelmusik bestellt worden, ein Prediger hatte für seinen Auftritt ein saftiges Honorar bekommen und sprach mit salbungsvoller Stimme, während aus seinem Mund eine nie abreißende Whiskyfahne drang.
    Er machte es so richtig schön traurig. Die Mädchen weinten zahlreiche Taschentücher voll, während die Zuhälter hin und wieder versteckt grinsten.
    Etwa eine halbe Stunde dauerte die Feier. Dann kamen Männer und räumten die Kränze zur Seite. Sie wurden auf einen Extra-Wagen geladen, der sie zum Grab schaffte und schon vorausfuhr.
    Hinter dem Leichenwagen schritt dann die Prozession der außergewöhnlichen Arbeitskollegen. Die Eltern und der kleinere Bruder gingen direkt hinter dem Wagen, die Dirnen und Zuhälter ließen einen genügenden Abstand.
    Die Mutter weinte, während der Vater starr geradeaus schaute und über den Sarg hinwegblickte. In seinen Augen lag ein harter Glanz.

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