0227 - Stellas Rattenkeller
es nicht viel zu sehen. Das ist ein völlig simples Holzinstrument. Nichts Besonderes, wirklich.«
»Würden Sie trotzdem bitte aufschließen?«
»Wenn Sie meinen. Ich kann für Rocky Koch allerdings nicht garantieren.«
»Das ist uns klar, Doc.«
Der Professor besaß einen Allround-Schlüssel. Er holte ihn aus seiner Kitteltasche und schloß die Tür auf.
Wir betraten die Zelle.
Schon beim Öffnen der Tür hatte Rocky Koch reagiert und war auf die Füße gesprungen. Jetzt versuchte er, so viele Ratten wie nur möglich an sich zu raffen, als hätte er Angst, daß ihm seine Lieblingstiere von uns weggenommen werden konnten.
Wir hatten dem Professor den Vortritt gelassen. Er sprach auch die ersten Worte, redete beruhigend auf Rocky Koch ein, der jedoch wollte davon nichts wissen, schüttelte den Kopf und zog sich in die hinterste Ecke der Zelle zurück.
Fünf Ratten hatte er an sich gerissen. Er preßte die Tiere fest gegen sich, stand leicht geduckt da und hatte den Kopf vorgestreckt, während in seinen Pupillen ein seltsames Leuchten irrlichterte.
»Seien Sie vorsichtig«, flüsterte der Professor, »der benimmt sich, als stünde er unter Strom.«
Wir nickten, denn wir sahen selbst, was mit Rocky Koch los war.
Langsam näherten wir uns ihm. Der Professor lächelte, hob grüßend die Hand und sagte Freundlich: »Besuch für dich, Rocky.«
»Will nicht.«
»Aber Rocky. Sei doch nicht so. Die beiden Herren möchten mit dir sprechen.«
Rocky Koch begriff. Er schaute uns an. Lange, intensiv. Wir waren stehengeblieben, ließen ihm Zeit, sich uns genau zu betrachten.
Erkannte er uns?
»Hi, Rocky«, sagte ich.
»Wer bist du?«
»Wir haben uns schon einmal gesehen. In Southwick, die alte Burg. Erinnerst du dich?«
»Burg?« Er wiederholte das Wort und dachte nach. Dabei zitterten seine Knie und auch die Hände. Seine Lippen bewegten sich flatternd, und uns war nicht klar, ob er sich erinnert hatte.
»Ratten!« zischte er dann. »Die Ratten. Sie sind meine Freunde. Sie werden euch zerfetzen…«
»Wo sind die Ratten, Rocky?«
Er bewegte seine Arme wie Windmühlenflügel. »Hier — überall. Wir sehen sie. Sie gehorchen mir, und sie kommen immer zu mir. Sie sind noch meine Freunde.«
»Rufst du sie?« fragte ich.
»Ja, das mache ich.«
»Und wie? Gehorchen Sie deiner Stimme? Wie damals, als du sie zu Hunderten in deiner Burg hattest.«
Da lachte er. Den Kopf warf er zurück, öffnete den Mund und stieß ein helles, hohles Kichern aus. »Meine Freunde, sie kommen zu mir. Sie gehorchen mir, ich bin ihr König. Wenn ich sie…«
»Rufst du sie mit der Flöte?«
»Ja…«
»Wo hast du sie denn?«
Er breitete die Arme aus und schleuderte die Stoffratten in die Luft. »Weg, einfach weg.«
»Dann kannst du sie nicht mehr rufen, Rocky.«
»Doch, das kann ich.«
»Wie?«
Er stierte uns an. Dann atmete er pfeifend ein. Ich hörte noch die gemurmelte Warnung des Professors, aber es war bereits zu spät.
Rocky Koch drehte durch.
Zuerst schleuderte er seine Ratten gegen uns. Es geschah so schnell, daß ich nicht dazu kam, auszuweichen. Ich wurde von einem Tier an der Brust getroffen, das andere verfehlte mich und die anderen.
Dann kam er selbst.
Rocky schien auf diesen Angriff gelauert oder sich regelrecht vorbereitet zu haben, denn er legte alle Kraft hinter seinen Sprung, die er besaß.
Ich wich nicht aus, stellte mich allerdings breitbeinig hin und ließ Rocky gegen mich laufen.
Der Aufprall war doch wuchtiger, als ich gedacht hatte. Fast hätte mich Rocky umgeschleudert. Wie ein Ertrunkener an einem Balken, so klammerte er sich an mich fest. Er fauchte und schrie mich an, hatte den Mund weit aufgerissen, wollte es den Ratten nachmachen und mich tatsächlich in die Kehle beißen. Sein heißer Atem streifte schon über die Haut, als ich ihn zu packen bekam.
Meinen flachen Handteller preßte ich unter sein Kinn und drückte Rockys Kopf zurück.
Er keuchte, spie und würgte, schüttelte sich, schlug um sich, und ich schleuderte ihn gegen die Wand.
Er blieb dort, als wäre er festgeklebt.
»Ratten! Ratten!« brüllte er, so daß es schaurig in der Zelle widerhallte.
»Ratten! Sie werden euch zerfetzen!« Abermals bewegte er seinen Mund, und imitierte das Zubeißen dieser Nager.
Der Professor faßte mich an der Schulter. »Kommen Sie, Oberinspektor, es hat keinen Sinn. Aus Rocky Koch ist nichts mehr herauszubekommen, ich kenne ihn.«
Der Mann hatte recht. So wie Rocky reagiert hatte, war
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