0228 - Der Leichenpfad
Totenpfad kannte ich inzwischen. Wir waren sie schon einmal gefahren, diesmal jedoch hatte ich es wesentlich eiliger, denn es ging um das Leben eines Menschen.
Am Ende des Dorfes mußte ich warten, da ein mit Mist beladener und von einem Trecker gezogener Wagen die Fahrbahn überquerte.
Dann erst ging es weiter. Ein kurzes Stück fuhr ich auf der Straße entlang. Der Totenpfad lag jetzt links von mir. Ich warf einen Blick durch die Seitenscheibe, konnte ihn allerdings noch nicht sehen, weil Büsche und hohes Unkraut mir die Sicht nahmen. Das würde auch so bleiben, wenn der Pfad leicht anstieg, da sich die Straße vor mir entsprechend senkte.
Auf ihr wollte ich nicht bleiben. Nach der nächsten Kurve riß ich das Lenkrad herum und scheuchte den Wagen auf das Gelände.
Will mochte mir verzeihen, denn der Manta hüpfte plötzlich über den Straßengraben und kam krachend auf. Die Stoßdämpfer nebst Federung protestierten so jämmerlich, daß es mir schon fast weh tat. Außerdem schlug der Wagen irgendwo hart auf.
Darauf konnte ich allerdings keine Rücksicht nehmen, ich mußte weiter.
Es war schwer, den Manta in der Spur zu halten. Vor mir wuchsen Büsche und wildes Gestrüpp auf. Der Wagen schlingerte, und die Umgebung begann zu tanzen. Manchmal drehten die Räder auch durch, ich mußte gefühlvoller mit dem Gaspedal spielen, kam immer wieder frei und fuhr weiter.
Dann entdeckte ich den Pfad.
Genau an der Stelle, wo ich ihn einsehen konnte, stieg er an.
Deutlich war die dunklere Erde zu erkennen, aber auch die Leere des Pfads.
Keine Spur von diesem Zombie.
Ich gab noch einmal Gas, fuhr die schräge Böschung hoch, erreichte den unheimlichen Weg und drehte das Lenkrad sofort nach rechts, damit ich auf den Friedhof zufahren konnte.
Es herrschte ein seltsames Zwielicht. Direkt am Bach sah ich wieder die dünnen Schleier. Diesmal allerdings waren sie echt, keine Weiße Frau erschien, und irgendwo vor mir endete auch der Pfad an der Friedhofsmauer.
War da nicht eine Bewegung?
Ich glaubte, sie gesehen zu haben. Als ich noch einmal nachschaute, war nichts mehr.
Täuschung?
Daran wollte ich nicht so recht glauben. Wenn der Zombie über den Pfad gelaufen war, dann hatten er und sein Opfer ihr Ziel längst erreicht. Es war der Friedhof. Ein Platz zum Sterben.
Auch für das Mädchen?
Ich mußte es verhindern!
***
Der Zombie war mit Chris Berger geschickt über die alte Mauer geklettert. Den Totenpfad hatte er ohne Schwierigkeiten hinter sich gelassen, jetzt endlich befand er sich an seinem Ziel. Dieser Friedhof war für einen Sterbeplatz wie geschaffen. Hier lagen all die, die ein Opfer der Weißen Frau geworden waren, und auch Chris Berger sollte unter der kalten Erde ihre Letzte Ruhestätte finden.
Dem Zombie ging es nicht schnell genug. Er brach durch das hohe Unkraut, stolperte über die alten, schief stehenden Grabsteine, duckte sich unter den Zweigen der Bäume und fand genau die Mischung zwischen Helligkeit und Dunkelheit vor, die er so liebte.
Es war eine gefährliche Stunde. Der Tag ging, die Nacht kam. Und niemand würde ihn stören.
Er wußte schon, wo die Geisel ihren Platz finden sollte. Nicht weit von einem großen Grab entfernt, dessen Stein als rechteckiges kantiges Denkmal aus dem Boden ragte.
An der Stelle hatte er alles vorbereitet. Gräber waren von ihm längst geschaufelt und raffiniert wieder abgedeckt worden, so daß niemand etwas bemerken konnte, der sich auf den Friedhof verirrte, obwohl der Zombie damit kaum zu rechnen brauchte, denn dieser Totenacker wurde gemieden.
Als er stehenblieb, kippte er seine linke Schulter wieder zur Seite hin weg, und Chris rutschte zu Boden. Sie schlug dumpf auf.
Allerdings dämpfte das weiche Gras ihren Fall, so daß diesmal nicht ein Laut über ihre Lippen drang.
Der Zombie lachte röhrend. Er hatte sich gebückt. Seine Pranken wühlten in den Grassoden, die er als Tarnung über das Grab gelegt hatte, und schleuderte sie weg.
Das Loch kam zum Vorschein.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es Chris Berger noch nicht so recht glauben wollen, als sie nun die Öffnung sah, da machte ihr Herz einen doppelten Sprung, und in ihrer Brust gab es einen schmerzhaften Stich.
Die Angst war da.
Vielleicht auch die letzte Chance?
Noch war der Zombie zu sehr mit seinen Vorbereitungen beschäftigt. Wenn sie jetzt aufsprang, konnte sie dem Unhold unter Umständen entgehen. Obwohl Chris Berger vor Furcht fast verging, behielt sie die Nerven und überstürzte
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