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0228 - Der Leichenpfad

0228 - Der Leichenpfad

Titel: 0228 - Der Leichenpfad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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rauchte in der hohlen Hand. Weit im Süden irrlichterte es wieder über den Himmel.
    Blitze zuckten, ein fernes Donnern war zu hören. Dort ging der Kampf weiter.
    Lange, helle Geisterfinger stiegen von der Erde hoch in die Dunkelheit. Es waren die voll aufgedrehten Scheinwerfer der Flack, die sich an einigen Stellen kreuzten und den Himmel nach feindlichen Bombern absuchten.
    Die Stellungen lagen weit entfernt, die Menschen in dem kleinen Eifeldorf brauchten keine Angst zu haben.
    Und doch hatten sie Furcht. Der Pfarrer und Göpfert hätten längst zurücksein müssen, und eine alte Frau sprach genau das aus, was alle dachten.
    »Die beiden sind tot. Die Weiße Frau hat sie geholt.«
    Schweigen. Jeder dachte an die geheimnisvolle Weiße Frau, die nie Ruhe finden konnte und am Totenpfad lauerte, um sich ihre Opfer zu holen. So mancher drehte sich nach den Worten ab und faltete seine Hände zum stummen Gebet.
    Die Angst stand allen im Gesicht geschrieben, aber keiner traute sich, dieses Gefühl auch offen zuzugeben. Man wartete ab, redete nur hin und wieder miteinander und schaute in die Richtung, wo der Leichenwagen verschwunden war.
    Und dann — die Morgenstunden hatten schon begonnen — hörten sie das schrille Wiehern.
    Einige waren trotz der kühlen Märznacht eingeschlafen. Jetzt schreckten sie auf, schauten sich gegenseitig an und lasen die stummen Fragen von ihren Gesichtern ab.
    »Sie kommen zurück.«
    Der alten Frau, die diese Worte ausgesprochen hatte, wollte niemand so recht glauben, trotz des Wieherns und dem dumpfen Schlagen der Hufe auf dem weichen Boden. Zudem war der allmorgendliche Dunst aufgekommen und wehte in langen Schleiern über den Grund.
    Aus dem Dunst schälte sieh das Pferd.
    »Da ist es!«
    Zwei besonders Mutige sprangen vor und griffen nach dem Geschirr des Tieres. Es war gerannt. Helle Schweißflocken klebten auf den Flanken, die Beine zitterten, aus dem Maul drang ein tiefes Schnauben, und jeder sah die zerrissenen Leinenfetzen, die der Gaul hinter sich herschleifte.
    Niemand sprach, obwohl man Bescheid wußte. Während in der Ferne der Donner der Geschütze rollte, fanden sich die Menschen zu einem Gebet zusammen.
    Dann gingen sie auseinander. Die Hälfte des Dorfes war zerstört.
    Aus der Not hatte man eine Tugend gemacht. Familien waren zusammengezogen und lebten in den noch heil gebliebenen Häusern und Scheunen zusammen.
    Bald schon graute der Morgen. Ein Blick zum Himmel bewies, daß es ein trüber Tag werden würde. Keine Sonne, kaum Wärme.
    Gegen neun Uhr traf man auf dem Dorfplatz zusammen. Der alte Brunnen spie einen dünnen Wasserstrahl. Das Haus gegenüber, es gehörte einem Lebensmittelhändler, war völlig zerstört worden, wie auch das kleine Rathaus mit dem Polizeiposten.
    »Wir sollten sie suchen gehen«, wurde der Vorschlag gemacht.
    »Bis zum Friedhof?«
    »Wenn es sein muß.«
    Es fanden sich nach langem Zögern erste Freiwillige. Und auch sie sagten gleich, daß sie den Friedhof nicht betreten wollten.
    Dann zogen sie los.
    Vier Männer waren es, und sie brauchten wirklich nicht bis ans Ende des Totenpfads zu gehen, denn die Leiche fanden sie schon vorher.
    Es war Göpfert!
    Er lag auf dem Rücken, sein Gesicht zeigte den Schmerz und die Angst, die er in den letzten Sekunden seines Lebens gespürt haben mußte. Die Augen waren verdreht. Wie gläserne Murmeln blickten sie in den trüben Morgenhimmel.
    Als die Männer sich von dem ersten Schock erholt hatten, fragte einer: »Und wo ist der Pfarrer?«
    Er bekam keine Antwort. Man suchte nach dem Geistlichen, doch gefunden wurde er nie…
    Einige Wochen später war der Krieg beendet. Eine neue Zeit brach an, die alte ruhte.
    Aber sie war nicht vergessen. Denn nicht alles, was die Menschen verdrängen, ist tatsächlich tot…
    ***
    Das Bier schäumte in die Krüge, und der Wirt in dem gemütlichen, stimmen erfüllten Altstadtlokal mußte Schwerstarbeit leisten.
    Aber das Geschäft lief, der Monat Juli hatte seine Kassen klingeln lassen. Da nahm er gern die große Schwitzerei in Kauf.
    Mit gezieltem Schub beförderte er die beiden Krüge zu den Bestellern, die, wie andere Gäste auch, dicht an dicht an dem langen Tresen des Lokals saßen.
    Zwei Hände griffen zu, umfaßten die Griffe und stemmten die Krüge in die Höhe.
    »Prost, Herr Mallmann«, sagte eine noch junge Stimme, und der Sprecher führte seinen Krug an den Mund, nahm einen langen Schluck, so daß das Gefäß bis zur Hälfte geleert war, als er es wieder

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