0229 - Der schwarze Druide
Sie schlossen sich nicht.
Die bleiche, schmale Hand zeigte direkt auf den davonfahrenden Wagen, der sich wieder der Straße näherte, zielte auf den Mann im Fond. Ein lautloses Triumphgelächter ließ einen großen Körper erzittern, als sich zwei Finger der Hand überkreuzten.
Etwas Schwarzes raste lautlos durch die geschlossene Scheibe, die keinen Widerstand bot, und überbrückte schnell wie ein Gedanke die Distanz zwischen Haus und Wagen. Der alte Mann im Fond zuckte kaum merklich zusammen.
Der Vorhang fiel wieder vor das Fenster. Eine große Gestalt mit glühenden Augen wandte sich ab. Es blieb noch etwas zu tun.
***
Raffael wollte von dem Schatz erzählen. Doch es ging nicht. Irgend etwas hinderte ihn daran, dessen Vorhandensein in den Kellergewölben des de Blaussecschen Herrenhauses auch nur anzudeuten.
Warum kann ich nicht darüber sprechen? fragte er sich mit wachsender Verzweiflung. Nicht, daß er es im Moment wirklich gewollt hätte. Immerhin hatte er de Blaussec und vor allem seinem Freund Clement versprochen, das Geheimnis zu bewahren. Aber so leicht wie diesmal war ihm niemals zuvor ein Lügengespinst gefallen, um die Wahrheit zu verschleiern.
Etwas half ihm, seine Ausreden logisch aufzubauen und zu untermauern.
Hatte de Blaussec ihn hypnotisiert?
Aber daran konnte Raffael nicht glauben. Vor einiger Zeit hatte er sich Zamorra für Versuche zur Verfügung gestellt, die samt und sonders nicht gelangen, weil Raffael zu dem kleinen Prozentsatz Menschen gehörte, die nicht zu hypnotisieren sind. Und wenn Zamorra selbst unter Einsatz des Amuletts nicht in der Lage war, Raffael zu hypnotisieren, dann schaffte es niemand.
Also mußte es etwas anderes sein.
Raffael machte den Versuch. Er wollte sich probehalber »verplappern«. Aber selbst das gelang ihm nicht. Kein Laut kam über seine Lippen, als er von der Schatzkammer im Keller sprechen wollte.
Er entsann sich der seltsamen Andeutungen des Grafen. Wußte der, was es mit diesem Schatz auf sich hatte?
Ein Dämonenschatz! dachte Raffael. Es muß ein Werk des Bösen sein! Aber warum hat de Blaussec mich dann laufen lassen? Ein Schwarzmagier hätte mich unter allen Umständen ausgeschaltet oder zu einem willenlosen Sklaven gemacht!
Da war er wie vom Donner gerührt. Ein willenloser Sklave!
Raffael wollte schreien. Aber es gelang ihm nicht.
Das Unheimliche, das ihn beherrschte, zwang ihn zum Schweigen.
Der alte Diener war vom Bösen besessen…
***
Victor de Blaussec stand lange Zeit da und starrte die Buchrücken in den Regalen an. Seine Gedanken kreisten im Leerlauf. Dann endlich gab er sich einen Ruck und verließ den stillen Raum.
Diesmal benutzte er keine stilechte Fackel, um die Kellerräume zu betreten, sondern eine starke Stablampe. Unten roch es muffig und verrußt. Der Fackelgebrauch hinterließ eine ganz bestimmte, unverwechselbare Duftnote. Der Graf liebte diesen Geruch, aber heute war er nicht in der Stimmung, ihn zu genießen.
Er eilte die Treppe hinunter und durch die langen Gänge. So ausgedehnt das Herrenhaus an der Oberfläche war, so war es auch unterirdisch geräumig.
Vor der offenstehenden Schatzkammer blieb de Blaussec stehen. Der starke Lichtfinger der Stablampe tastete über die Truhe aus dem unbestimmbaren Material. Victor trat nahe heran und legte seine Hand auf den Deckel.
Er fühlte den noch wirkenden Schutzzauber, den er selbst vorhin wieder angebracht hatte. Aber was half der noch, wenn der Bann bereits vorher gebrochen worden war?
De Blaussec bedauerte, daß er keine Möglichkeit besaß, das festzustellen. Seine Magie reichte nur aus, hin und wieder das Vorhandensein des Dämonenschatzes zu überprüfen und ihn anschließend wieder zu versiegeln. Das war alles. Was darüber hinausging, vermochte er nicht zu vollbringen.
Warum nicht? fragte er sich grimmig. Warum waren seine Fähigkeiten so begrenzt? Jener, der sie ihm einst gab, mußte doch auch einen Fall wie diesen einkalkulieren! Oder hatte er de Blaussec doch gar für unfehlbar gehalten?
Es war mein Fehler, dachte der Graf.
Ich hätte die Schlüssel niemals aus der Hand geben dürfen!
Der Deckel der Schatztruhe fühlte sich kalt an. Er war viel kälter, als er es eigentlich sein durfte. De Blaussec preßte die Lippen zusammen. War dies ein Zeichen für eine Veränderung?
Merlin, warum hast du ausgerechnet mich zum Wächter bestimmt? Warum keinen anderen?
Aber es hatte keinen Sinn, zu hadern. Es ließ sich doch nichts mehr rückgängig machen. Er
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