0229 - Der schwarze Druide
Wenn der Tag kommt, wird er wohl kommen. Es wundert mich, daß er noch nicht erkannt hat, wer hier seinen Stützpunkt in Besitz genommen hat.«
Er erwartete keine Antwort darauf, und Raffael ging schweigend zu seinen Zimmern zurück. Der Diener befand sich unentrinnbar im Griff des Unheimlichen.
Der Schwarze Druide aber ließ sich in den bequemen Schreibtischsessel sinken und sah sich in Zamorras Arbeitszimmer um. Der Schreibtisch glich eher der Kommandozentrale eines Schlachtschiffes mit all seinen technischen Einrichtungen bis hin zu einem Speicher- und Abrufterminal für die aufwendige Computer-Anlage, in der Zamorra die bei seinen Abenteuern gewonnenen Erkenntnisse zu speichern pflegte.
Abfällig wischte die Hand des schwarzen Druiden über die Schalter und Kontrollskalen. Er brauchte die Technik nicht. Magie war wertvoller und zuverlässiger. Seine Magie, die schwarz war wie die Nacht draußen hinter der großzügigen Verglasung des Arbeitsraumes.
Der Schwarze Druide übte sich in Geduld und wartete auf Zamorra. Er hatte Zeit. So lange hatte er auf den Moment der Wiederkehr gewartet, nun kam es auf Stunden bis zum Beginn der Rache auch nicht mehr an.
***
Meine Güte, hat Nicole ein Durchhaltevermögen, dachte Zamorra und sah verstohlen auf die Uhr. Es ging auf die Drei zu. Der Meister des Übersinnlichen rollte sich im Schlafsack zusammen und sah durch den Zelteingang nach draußen.
Nicole erzählte Geistergeschichten!
Zamorra seufzte leise. Er erinnerte sich an die allerersten Tage. Damals, als er sein Erbe antrat und Schloß Montagne übernahm. Damals wollte Nicole grundsätzlich nicht an Übersinnliches glauben. Sie stand der Magie und dem Okkultismus äußerst skeptisch gegenüber. Und jetzt kämpfte sie an seiner Seite gegen Geister, Teufel und Dämonen…
Und saß da und erzählte vom kopflosen Ahnherrn, der in den frühen Morgenstunden umging und erst mit dem Frühnebel wieder verschwand. Zamorra fühlte, wie selbst ihm eine Gänsehaut über den Körper kroch. Nicole verstand zu erzählen!
»Hör auf, oder wir kriegen die ganze Nacht keine Ruhe mehr!« wehrte sich Teri Rheken. »Wir haben doch vor, uns zu erholen…«
»Immer im Training bleiben«, flachste Nicole. Sie begann eine andere Geschichte.
Zamorra schaltete ab. Er wollte wenigstens ein paar Stunden Schlaf haben, klappte die Augendeckel zu und begann Schäfchen zu zählen. Wenn Nicole unbedingt der Ansicht war, daß sie sich die Nacht um die Ohren schlagen mußte, sollte sie es tun. In Zamorras Ohren wurde ihre leise erzählende Stimme zu einem dumpfen, einschläfernden Murmeln, dessen Text nicht mehr an Zamorras Bewußtsein drang.
Trotzdem konnte er nicht richtig einschlaf en! Aber er wußte, daß es nicht an Nicoles Stimme lag, auch nicht an ihren Geistergeschichten. Wenn er wirklich müde war, schlief er selbst neben einem dröhnenden Hubschraubertriebwerk.
Aber irgendwie schaffte er den Absprung in die Traumwelt nicht.
Da war etwas, das ihn daran hinderte.
Über sich selbst verärgert, öffnete er wieder die Augen und richtete sich halb auf. Nicole redete nicht mehr. Sie saß stumm im Zelteingang. Zamorra konnte ihren schlanken Körper im Mondlicht deutlich sehen, nur mit Westernhut und Stiefeln verführerisch bekleidet.
Sie waren allein.
Gryf und Teri waren fort. Von weiter flußabwärts hörte Zamorra Stimmen und Plätschern. Offenbar tobten sie noch etwas in der Loire herum. Konnten sie etwa alle so schlecht schlafen? wunderte sich Zamorra.
Das Lagerfeuer war niedergebrannt. Nur noch ein paar Glutpünktchen leuchteten rot aus der Asche hervor.
Der Parapsychologe schälte sich aus dem Schlafsack und glitt zu Nicole an den Zelteingang. Sie schlief nicht im Sitzen, das sah er deutlich. Sie war hellwach. Leicht berührten seine Hände ihre warme Haut.
»Kommst du, Nici?« flüsterte er.
Sie antwortete nicht. Aber sie hob eine Hand und deutete über die Feuerasche hinweg in die Dunkelheit zwischen niedrigem Strauchwerk.
Im ersten Moment begriff Zamorra nicht, was das bedeutete. Wieder sah er die roten Glutpunkte in der Asche.
Und in etwa einem Meter Höhe, zwischen den Zweigen des Buschwerks, glühten dicht beieinander zwei weitere Punkte…
***
Der Rattenköpfige eilte durch die Nacht. Sein Ziel war Schloß Montagne, aber er kannte zunächst nur die allgemeine Richtung und danach das Licht, das ihn rief.
Mit unglaublichen Sprüngen eilte er voran, getrieben von einer Kraft, die kaum menschlich zu nennen war. Und nach
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