0229 - Der schwarze Druide
er selbst eine Ratte! Ein Monster! Clement ist tot! Ich habe ihn umgebracht!
Daß es unter Zwang geschah, wollte ihm sein Gewissen nicht durchgehen lassen.
Es brannte wie Feuer in ihm, ließ ihn taumeln. Und da traf ihn der zweite Schock. Vor ihm lag Nicole Duval, nackt und bewußtlos!
Nicole in der Gewalt des Unheimlichen und des Monsters!
Raffael riß den Mund weit auf, sog Luft in die Lungen. Er wollte schreien, aber es gelang ihm nicht. Es war eine Situation wie jene, in der Clement Ferrac vor Entsetzen gestorben war. Aber Raffael starb nicht. Er besaß eine stärkere Kondition als sein Freund, hatte sich immer fit gehalten.
Er konnte nicht sterben.
Aber in diesem Moment des äußersten Erschreckens packte das Böse wieder zu, das in ihm lauerte. Es nahm ihn wieder in den Griff. Der Moment der Unsicherheit und des Zögerns war vorbei. Entschlossen packte Raffael zu. Gemeinsam trugen sie Nicole hinaus, der Mensch und das Monster.
Der Schwarze Druide sah ihnen nach. »Die Besessenheit ist unzuverlässig«, murmelte er. »Sein Ich kommt immer wieder durch. Ich werde ihn bei passender Gelegenheit beißen lassen. Der Keim ist sicherer.«
Der Druide lehnte sich wieder zurück. Ein Gedankenimpuls ging hinaus und erreichte die Ratten. Haltet euch bereit, meine Freunde! Bald brauche ich euch!
Die Tür schloß sich elektrisch.
Raffael und der Rattenmann trugen Nicole in eines der angrenzenden Zimmer. Dort aber schüttelte Raffael plötzlich den Kopf.
»Das ist nicht gut«, sagte er. »Wir bringen sie nach unten, in die Eingangshalle.«
»Warum?« krächzte der Untote.
»Es ist besser für die Pläne des Herrn«, sage Raffael.
Sie trugen die Bewußtlose weiter bis nach unten. In der großen Halle befand sich am Fuß der Freitreppe eine Sitzgruppe. Weiter vorn, zum Eingangsportal, standen auf Sockeln rechts und links je eine Ritterrüstung.
»Hier«, sagte Raffael. »Wir befestigen sie hier.«
Er ging und kam kurz darauf mit starken Nylonseilen zurück. Der Rattenmann setzte Nicole in einen der Sessel. Raffael begann, sie kunstgerecht zu fesseln und zu verschnüren, und der Untote half ihm dabei. Mehrmals versuchte Clement dann mit seinen Superkräften, die Fesselung zu durchreißen. Zufrieden richtete er sich auf. Was ihm nicht gelang, war Nicole erst recht unmöglich.
Da öffnete sie die Augen, erwachte aus der Bewußtlosigkeit. Verwirrt sah sie um sich, erkannte, wo sie sich befand.
Und dann sah sie den Rattenmann und Raffael einträchtig nebeneinander stehen.
Sie wurde blaß.
»Nein«, flüsterte sie. »Das kann nicht wahr sein… Raffael… warum lassen Sie das zu? Helfen Sie mir! Und seien Sie vorsichtig! Der Rattenmann ist gefährlich…«
Raffael verzog das Gesicht und legte dem Untoten freundschaftlich die Hand auf die Schulter. Da erst bemerkte Nicole, daß Raffaels Augen schwarz glühten.
»Sie auch, Raffael?« flüsterte sie entsetzt. »Sie gehören auch - zu denen?«
»Ja«, sagte Raffael Bois.
Es war der Moment, als draußen der Wagen abstoppte.
***
»Es gibt zwei Möglichkeiten, wo er sich aufhalten könnte«, sagte Gryf. »Entweder in der Bibliothek oder im Arbeitszimmer. Diese beiden Räumlichkeiten sind also mit größter Vorsicht zu genießen.«
»Aber es sind auch die Räume, in denen höchstwahrscheinlich das Amulett ist«, sagte Teri.
Gryf wirkte einen Moment lang abwesend. Dann lächelte er. »Zamorra ist da«, sagte er. »Ich lese seine Gedanken. Er stürmt jetzt das Eingangsportal. Wir zählen bis zwanzig, dann fangen wir an.«
»Ich nehme die Bibliothek«, beschloß er dann, als Teri ihn weiterhin fragend ansah. »Du das Arbeitszimmer. Ich glaube kaum, daß der Schwarze nicht nachsehen wird, was Zamorra da für einen Krach macht.«
Teri nickte.
Gryf zählte den Countdown. Dann grinsten die beiden sich an, Gryf hob die Faust und reckte den Daumen nach oben, und gleichzeitig taten sie den zeitlosen Sprung.
Es gab keine Orientierungsschwierigkeiten. Beide kannten sich im Château Montagne bestens aus, weil sie als Zamorras Freunde oft genug dort waren. Beide konnten sich ihr jeweiliges Ziel äußerst plastisch vorstellen und kamen deshalb dort präzise an, wo sie hinwollten.
Gryf materialisierte in der Bibliothek.
Sofort machte er eine Drehung in die Runde. Aber er konnte den Schwarzen Druiden, wie immer er aussehen mochte, nirgends sehen. Die große Halle war leer, die über und über mit Bücherregalen gefüllt war. In der Mitte erstreckten sich große Tische, auf
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