023 - Die Vampir-Klinik
Tür.
Sie wurde geöffnet, und Charlton Dodd erschien. Seine Kleidung war in Unordnung. Er sah blaß aus, wirkte benommen. McCleary erschrak. »Um Himmels willen, Mr. Dodd, was ist passiert?«
Dodd schüttelte langsam den Kopf. »Nichts«, sagte er heiser.
»Nichts, Mr. McCleary.«
»Na hören Sie mal, das können Sie mir doch nicht erzählen. Wie Sie aussehen…«
»Ich bin gestürzt, das ist alles.«
McCleary konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß ihn Dodd belog. Aber warum tat der Mann das? Zwang ihn jemand dazu? Befand sich jemand in Dodds Haus? Melusine? Oder Torack?
»Würden Sie mich kurz in Ihr Haus lassen, Mr. Dodd?«
»Wozu?«
»Ich würde mich gern selbst davon überzeugen, daß alles in Ordnung ist.«
»Haben Sie nicht die Absicht, sich mit Tony Ballard zu treffen?«
»Er wird bestimmt warten, machen Sie sich deswegen keine Sorgen.«
Der Vampirjäger machte einen Schritt vorwärts. Irgendwo im Haus klirrte das Glas einer Fensterscheibe. Ergriff jemand die Flucht? Melusine? Torack? Charlton Dodd zuckte zusamen.
Durch den Schritt, den Elias McCleary getan hatte, rutschte das Goldkreuz, das der Vampirjäger um den Hals trug, unter dem Rockaufschlag, unter dem es verborgen gewesen war, hervor.
Als Dodd dieses christliche Symbol sah, reagierte er mit Panik. Er riß die Augen entsetzt auf und die Arme schützend hoch. Er wandte sich fauchend ab und wich zurück.
Erschüttert begriff McCleary, und er machte sich schwere Vorwürfe, denn er hatte diesen Mann, als er ihn nach Hause schickte – in der Meinung, hier wäre er sicher –, in den Tod geschickt.
Dodd lebte nicht mehr. Er war zum Schattenwesen geworden.
Deutlich erkannte der Vampirjäger die frische häßliche Bißwunde an Charlton Dodds Hals, jene zwei tiefen Einstiche von Vampirzähnen, direkt in die Halsschlagader.
Dodd war entweder Torack oder Melusine zum Opfer gefallen.
McCleary nahm an, daß dem Mann die Frau zum Verhängnis geworden war. Dem Vampirjäger blieb nichts anderes mehr übrig, als Charlton Dodd von seinem unseligen Schattendasein zu erlösen.
Grimmig griff er nach der Goldkette. Er wollte sie abstreifen und den Blutsauger mit dem Kreuz berühren. Dodd wäre zusammengebrochen, als hätte ihn ein Blitzschlag gefällt.
Doch die panische Angst ließ den Vampir über sich selbst hinauswachsen. Er überwand seine große Furcht vor dem Kruzifix und griff den Vampirjäger an.
Sein Faustschlag traf Elias McCleary so unerwartet, daß dieser schmerzlich aufschrie und sich krümmte. Er japste nach Luft. Seine Arme hingen für einen Moment kraftlos herunter.
Das Goldkreuz baumelte einen halben Meter über dem Boden.
Da McCleary in gebückter Haltung vor Dodd stand, verdeckte er das Kruzifix. Dadurch war es dem neuen Blutsauger möglich, sich von dem Schock zu erholen, den der Anblick des Kreuzes in ihm hervorgerufen hatte.
Dodd bildete mit beiden Händen eine Riesenfaust und ließ diese auf McCleary herabsausen. Ächzend sackte der Vampirjäger auf die Knie. Er streckte die Arme nach vorn und wollte Dodd umklammern, aber da traf ihn ein gemeiner Tritt und warf ihn vollends um.
McCleary überschlug sich und blieb auf dem Bauch liegen. Er war benommen und spürte den süßlichen Geschmack von Blut in seinem Mund.
Der Vampirjäger vernahm die Schritte des Schattenwesens hinter sich. Er wußte, daß er nicht liegenbleiben durfte, sonst war er verloren.
Mühsam zog McCleary die Beine an. Er litt im Augenblick unter starken Gleichgewichtsstörungen. Der Boden drohte fortwährend unter ihm wegzukippen. Schweiß glänzte auf seinem verwitterten Gesicht.
In siebzehn erbitterten Kämpfen mit gefährlichen Blutsaugern war McCleary Sieger geblieben. Sollte er diesmal verlieren? Er biß trotzig die Zähne zusammen.
Aufgeben kam für ihn nicht in Frage. Solange noch ein Funken Leben in ihm war, wollte er kämpfen. Angeschlagen richtete er sich auf. Da schlang Dodd von hinten seinen Arm um McClearys Hals.
Der Vampir drückte brutal zu. Es hatte den Anschein, als wollte Dodd dem Vampirjäger das Genick brechen. So kämpften Vampire normalerweise nicht. Für gewöhnlich ging es ihnen in erster Linie um das Blut ihres Opfers.
Doch Dodd wußte, mit wem er es zu tun hatte, und so schien es ihm wichtiger zu sein, den Vampirjäger zu töten, als ihn zum Schattenwesen zu machen.
Der Druck verstärkte sich und trieb McCleary die Tränen in die Augen. Die Spannung in seinem Nacken wurde unerträglich. Er bäumte sich verzweifelt
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