0230 - Dr. Tods Rache
mitschwang. Vielleicht war die Frau eine der Angestellten.
»Ist er schon weggegangen?« forschte ich weiter.
»Sicher.« Die Frau sprach bedrückt.
»Wissen Sie wohin?«
»Nein, ich — es — ist alles so schrecklich.« Die Stimme hörte sich an, als würde sie gleich ersticken.
Da mußte etwas passiert sein! Ich versuchte, möglichst normal zu sprechen und sagte: »Nun beruhigen Sie sich einmal«, sagte ich. »Nichts ist so schlimm, wie es aussieht. Also, was ist geschehen?«
Ich weiß nicht, ob mir die Frau das auch gesagt hätte, wenn alles normal gewesen wäre.
Doch sie schien unter einem Schock zu stehen, und deshalb plauderte sie aus.
Ich erfuhr von dem Besuch einer schwarzhaarigen Frau, die sich sehr gewalttätig benommen hätte. »Stellen Sie sich vor, sie wollte mir in den Hals beißen.«
Da war mir endgültig klar, daß es sich bei der Schwarzhaarigen nur um Lady X handeln konnte. »Was ist dann geschehen?« wollte ich wissen.
»Ich — ich weiß nicht mehr. Ich wurde ohnmächtig. Und als ich erwachte, war Mr. Costello nicht mehr da.«
»Die Frau auch nicht?«
»So ist es!«
»Haben Sie mit einer anderen Person außer der meinen über den Vorfall gesprochen?«
»Nein, Sir. Ich — ich bin ja auch eben erst aus der Ohnmacht erwacht. Ich habe Kopfschmerzen und blute am Hals.«
»Geht es Ihnen sonst gut?«
»Eigentlich ja.«
»Sie haben keine Veränderungen an sich festgestellt?«
»Nein, Sir.«
»Auch nicht an den Zähnen?«
Jetzt schwieg sie für einen Moment. »Wie meinen Sie das genau, Sir?«
Ich erklärte es ihr, denn ich hatte den Verdacht, daß Lady X sie zu einer Blutsaugerin gemacht haben könnte. Aber bei ihr war alles normal, wie sie mir versicherte.
Ich atmete auf und beschwor die Frau, mit niemandem über das Erlebnis zu reden. Sie gab mir ihr Wort.
Als ich den Hörer fallen ließ, blieben Schweißflecken auf dem Kunststoff zurück. Das Gespräch hatte mich doch sehr mitgenommen, und ich schüttelte mich. Dr. Tods Erben waren bereits aktiv geworden. Und zwar hier in London. Die Vermutung meines Chefs ging voll in Erfüllung. Nur — was hatten sie vor?
Diese Frage beschäftigte mich, als ich in die kleine Küche ging und endlich die Kaffeekanne von der Warmhalteplatte der Maschine nahm. Ich schenkte mir eine Tasse voll, lehnte mich an den kleinen weißen Tisch und trank den Kaffee in langsamen Schlucken. Dazu aß ich eine Scheibe Brot, obwohl ich an sich keinen Hunger hatte, denn der frühe Anruf war mir auf den Magen geschlagen.
Die Zukunft sah trübe aus, da biß die Maus keinen Faden ab.
Wenn sich die Monster hier in London befanden, würden sie auch zuschlagen, und zwar mit aller Härte.
Es schellte. Diesmal nicht das Telefon, sondern die Türklingel. Ich warf einen schnellen Blick auf die Uhr. Das konnte eigentlich nur Suko sein, der geklingelt hatte, weil er mit mir fahren wollte.
Ich stellte die Tasse ab, verließ die Küche und durchquerte die kleine Diele. Der Schlüssel steckte noch im Schloß. Zweimal drehte ich ihn herum, dann war die Tür offen.
Ich rechnete wirklich mit Suko und hatte schon ein ›Komm rein‹ auf den Lippen, als ich zusammenzuckte.
Das war nicht Suko, der da vor mir stand. Es sei denn, er hätte sich verdoppelt, ein anderes Gesicht bekommen und sich einen dunkelgrauen Anzug übergestreift.
Die beiden Typen sahen aus wie Männer von einem Beerdigungsinstitut. Es waren auch welche, und sie nahmen jetzt ihre Mützen ab, bevor der rechte von ihnen fragte: »Mr. Sinclair?«
»Ja, das bin ich.«
»Das ist für Sie«, sagte der Mann, streckte seinen Arm aus und deutete auf den schwarzen Sarg…
***
Ein Sarg für John Sinclair!
Verdammt, jemand hatte mir einen Sarg geschickt. Eine pechschwarze Totenkiste, hochpoliert und verschlossen, dazu mit messingfarbenen Griffen.
Im ersten Augenblick wurde mir ein wenig blümerant zumute. Ich glaube, jeder ist geschockt, wenn er einen Sarg geschickt bekommt, mir erging es da nicht anders.
Auf meiner Stirn hatten sich feine Schweißperlen gesammelt, die ich automatisch mit dem Handrücken wegwischte. »Und der ist wirklich für mich?« fragte ich.
»Ja, Sir. Mr. John Sinclair ist als Empfänger angegeben. Und das sind Sie Ihren eigenen Aussagen nach.«
»Wer hat Ihnen den Auftrag gegeben?« forschte ich weiter.
»Keine Ahnung. Da müßten Sie sich mit meinem Chef in Verbindung setzen. Wir sind nur die Ausführenden.«
Ich schaute auf den Sarg und hob die Schultern. Sollte ich ihn
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