0230 - Dr. Tods Rache
Als ich dann den spitzen Schrei hörte, fuhr ich herum.
Eine Nachbarin hatte ihn ausgestoßen. Soviel ich wußte, war sie seit zwanzig Jahren Witwe und in einer Organisation tätig, die gegen alles anging, was menschlich ist. Klar, daß der Anblick des Sargs der Frau nicht gefiel. Sie lehnte bleich an der Flurwand und schüttelte sich.
»Trinken Sie einen Schnaps«, riet ich ihr. »Dann geht es Ihnen besser.«
»Alkohol!« stöhnte sie. »Nein, so etwas. Ich habe…« Was sie noch sagte, hörte ich nicht mehr, denn ich ging wieder zurück in meine Wohnung, während die beiden Männer mit ihrer makabren Last nach unten fuhren.
Wir wollten auch zum Yard Building fahren. Allerdings erst später.
Und das war ein Fehler!
***
Burland und Spirea hatten einen günstigen Parkplatz für ihren Wagen gefunden, deshalb brauchten sie mit der Last nicht sehr weit zu laufen. Sie schoben den Sarg in den grauen, unscheinbar wirkenden Wagen hinein und schlossen die Tür der Ladefläche.
Mit dem Kopf deutete Burland in Richtung Fahrerhaus.
Spirea blieb stehen. Mit den Fingern zeichnete er seinen Schnauzer nach. »Also, ich will doch mal wissen, was so in dieser komischen Totenkiste steckt.«
»Das juckt uns doch nicht.«
»Mich schon.«
»Wie lange fährst du schon Leichen?« fragte Spirea und klopfte eine Zigarette aus der Packung.
»Ein paar Jahre sind es.«
»Eben. Und nie hast du dich darum gekümmert, wer in einer Totenkiste lag. Ausgerechnet heute.« Burland zündete sich das Stäbchen an. »Weshalb eigentlich?«
»Weil das alles so geheimnisvoll ist.«
Burland paffte zwei blaue Wolken. »Nichts ist geheimnisvoll. Nur Mache. Steig endlich in die Karre und dann nichts wie weg. Ich habe keine Lust, hier die Zeit zu vertrödeln.«
»War auch nur 'ne Frage.«
Burland und Spirea stiegen ein. Der Mann mit dem südländischen Namen fuhr. Als er den kleinen Transporter startete, da ahnte er nicht, was sich auf der Ladefläche tat…
***
Es war der grüne Schleim, der reagiert hatte. Diese widerliche geleeartige Masse, von der John Sinclair und Suko nicht wußten, aus welchem Material sie bestand, hatte den Boden der Totenkiste nicht ohne Grund bedeckt.
Es war eine Hinterlassenschaft der Vampirin Lady X, und es gehörte zu einem teuflischen, gerissenen Plan.
In der Finsternis des Sarges geriet sie in Bewegung. Zuerst zog sich die Masse zusammen, bildete Klumpen, die sich dann immer weiter ausbreiteten und einen größeren Raum einnahmen.
Es entstanden dicke Blasen. Sie bildeten regelrechte Kugeln, ihre Haut wurde zunehmend dünner, dann zerplatzten sie. Die dabei entstehenden Laute gingen allerdings in den Fahrgeräuschen unter.
Der Schleim kam nicht zur Ruhe. Er vermehrte sich sogar. Und er bedeckte nun nicht mehr nur den Boden, sondern stieg entgegengesetzt der Schwerkraft in die Höhe, um sich über den Körper des widerlichen Wesens zu legen, das einmal der Mensch-Dämon Dr. Tod gewesen war.
Der Schleim bedeckte ihn schon nach kurzer Zeit wie ein grüner Mantel. Er suchte seinen Weg.
Zuerst kroch der Schleim über die linke Seite. Dort hatten die messerscharfen Zähne der Fische Solo Morasso das Fleisch von den Knochen gefressen. Er war dort nur ein Skelett.
Da gab es kein Ohr mehr, keine Nase, keine Haare, kein Auge.
Die Piranhas hatten Morasso wirklich mit Haut und Haaren gefressen.
Über die bleichen Knochen kroch der Schleim. Er bewegte sich wie dickes flüssiges Gummi, glitt auf das Gesicht zu und fand auch seinen Weg in das leere Auge.
Sofort füllte es die Höhle aus, quoll wieder hervor, breitete sich auf dem Gesicht aus, tropfte da hinein, wo sich die Hälfte der Nase befand, und machte sich daran, auch den Rest des Gesichts zu erfassen.
Einmal aktiviert, war der widerliche Schleim nicht mehr aufzuhalten. Und er hinterließ seine träge, blasige Spur auf dem gesamten Körper der Horror-Gestalt.
Der Schleim wuchs. Er schien aus zahlreichen Zellen zu bestehen, die sich innerhalb von Sekunden vermehrten und fast den gesamten Innenraum des Sargs einnahmen. Von der eigentlichen Horror-Gestalt war nichts mehr zu erkennen. Hätte jemand den Sarg geöffnet, so wäre ihm nur der Anblick des grünen Schleims aufgefallen.
Das gefährliche Zeug arbeitete. Es quoll, breitete sich auch in der Höhe aus und füllte inzwischen den Sarg bis über den Abschnitt hinaus, wo die beiden Hälften aufeinander lagen. Der Schleim arbeitete. Es blieb nicht allein bei der Vermehrung, er bewegte sich auch.
Und das heftig.
Weitere Kostenlose Bücher