0232 - Sieben Siegel der Magie
das Buch erworben hat.«
»Ist ihr etwas passiert?«
»Glaube ich nicht.«
Ich dachte nach. Bisher hatte sie unser Gespräch zwischen Tür und Angel abgespielt, und dort gibt es bekanntlich kein Telefon. Deshalb fragte ich Shao: »Darf ich mal?«
»Entschuldige.« Sie gab den Weg frei.
Ich ging ins Wohnzimmer, wo ich auch das Telefon fand. Einen Moment musste ich nachdenken, denn mir fiel die Nummer der Horror-Oma nicht ein. Dann wusste ich sie wieder, wählte sie und war überrascht, dass ich keine Verbindung bekam, gleichzeitig auch beunruhigt. Shao war neben mich getreten.
»Was ist denn?« fragte sie, als ich den Hörer wieder auflegte.
»Die Leitung ist tot«, murmelte ich.
»O Gott.« Sie presste ihre Hand auf den Mund.
»Sag mal, Shao, wann ist Suko eigentlich gefahren?«
»Eine genaue Uhrzeit kann ich dir nicht geben, aber du kennst ihn ja. Er fährt immer ziemlich zügig und müsste eigentlich schon bald da sein.«
»Dann hat es wohl keinen Sinn, wenn ich die uniformierten Kollegen alarmiere.«
»Dazu kann ich nichts sagen.«
Ich dachte einen Moment nach. »Okay, ich fahre auch hin. Halte du hier die Stellung.«
»John!« An der Tür erreichte mich die Stimme der Chinesin, und ich drehte mich um.
»Was ist denn?«
»Bitte, John, sei vorsichtig. Und gib Bescheid, wenn irgend etwas ist.«
Ich lächelte. »Natürlich.« Dann fuhr ich wieder mit dem Lift nach unten. Selten war er mir so langsam vorgekommen, wie in diesen Minuten.
Kaum hatte ich die Garage verlassen, als ich den Magnethalter mit dem Blaulicht auf das Dach des Wagens setzte.
Jetzt wurde es höchste Eisenbahn…
***
»Das Kreuz«, flüsterte Sarah Goldwyn. »Mein Gott, es ist tatsächlich das Kreuz.« Die Horror-Oma schüttelte den Kopf und starrte die Zeichnung an. Da stimmte jedes Detail, sogar die beiden Buchstaben J und S. Die Abkürzung für John Sinclair. Aber wie konnten diejenigen, die das Kreuz erschaffen hatten, bereits wissen, was es mit John Sinclair einmal für eine Bedeutung haben würde?
Eine unwahrscheinliche und rätselhafte Begebenheit tat sich da vor den Augen der alten Dame auf. Und sie allein hielt den Schlüssel zu einem der bestgehütetsten Geheimnisse in den Händen. Sie besaß das Buch, und wenn es ihr gelang, den Textteil, der sich mit dem Kreuz beschäftigte, zu enträtseln, dann konnte sie vielleicht das Geheimnis lüften.
Der Gedanke daran ließ sie schwindeln. Was John Sinclair und seine Freunde jahrelang zu bekommen versucht hatten, das lag nun vor ihr.
Sie konnte es schaffen.
Vor Aufregung zitterten ihr die Hände. Sogar der Tee war vergessen.
Außerdem hätte sie es jetzt doch nicht geschafft, ihn einzuschenken, sie war viel zu aufgeregt.
Wieder fiel ihr Blick auf das Kreuz. Schwarz waren die Umrisse gezeichnet. Obwohl das Buch wirklich sehr alt war, hatte diese Zeichnung die Zeit noch gut überstanden. Da musste ein Künstler am Werk gewesen sein, vielleicht hatte er auch seine Eingebung von einer anderen Seite bekommen, von höheren Mächten, die man mit dem Sammelbegriff Geister umschreiben konnte.
Lady Sarah atmete schwer. Mit dem Erwerb dieses Buches hatte sie eine gewaltige Verantwortung übernommen. Sie drückte wie eine schwere Last, und dann spürte sie etwas, das sie ansonsten kaum bemerkt hatte. Es war das Alleinsein.
Überdeutlich kam es ihr in diesen so entscheidenden Augenblicken zu Bewußtsein. Sie war sehr allein, und sie hielt den Schlüssel eines Geheimnisses in der Hand.
Lady Sarah legte das Buch aufgeschlagen zur Seite und schaute auf die Uhr.
Warum war Suko denn noch nicht erschienen? Wenn er hier gewesen wäre, sähe alles schon anders aus. Das Buch bedachte sie mit einem skeptischen Blick, sie schielte auf das abgebildete Kreuz, jetzt hätte sie eigentlich Zeit gehabt, den Text zu studieren, aber sie traute sich einfach nicht, denn sie wusste nicht, ob sie die Brisanz dieser Zeilen verkraften konnte.
Von diesem Buch ging etwas so Geheimnisvolles, vielleicht auch Gefährliches aus, das sie erschreckte. Und auch die Wohnung kam ihr plötzlich anders vor. Nicht mehr anheimelnd oder gemütlich, nein, sie bekam das Gefühl einer Beklemmung und glaubte, von zahlreichen Augen beobachtet zu werden.
Vielleicht saßen sie auch in den Nischen und Winkeln, wo sie auf ihre Chance warteten, das Buch in die Hände zu bekommen. Lady Sarah dachte wieder an die echsenköpfigen Monstren. Sie wusste, dass sie Diener eines gefährlichen Dämons waren, der sich Spuk nannte und in
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