0233 - Gejagt von den Dämonenschatten
ziehen schien und dabei wirkungsvoll mit seiner Umgebung verschmolz.
Lautlos war sein Schritt. Beinahe schwerelos. Von Zeit zu Zeit zuckte es leuchtend am Himmel auf, dann duckte sich der große Schatten, der menschliche Formen hatte, und die verästelte Lichtenenergie des Blitzes schien von der tiefen Schwärze des Wesens aufgesogen zu werden, ohne daß es daran Schaden nahm.
Der Dämon war nicht allein. Fast ein Dutzend seiner Art durchkämmte die nächtliche Landschaft. Eben erst auf dieser Welt materialisiert, machten sie sich bereits daran, die zweite Stufe ihres Planes einzuleiten.
Kreisförmig strömten sie von allen Seiten auf das einsam gelegene Haus zu. Regen prasselte auf die Schattenhaften herab, vermochte jedoch nicht ihre schwarzen Schutzfelder zu durchdringen.
Der Dämon, der sich von vom an das Haus heranschlich und der sich ihm am weitesten genähert hatte, sah, wie sich die Tür des Gebäudes öffnete und ein langer, schmaler Lichtstreifen nach draußen fiel. Kurz darauf trat eine in gelbe Ölkleidung gehüllte Gestalt ins Freie.
Achtung! telepathierte der Meegh.
Das Opfer war erschienen.
***
Shakespeare landete hart auf dem Teppichboden.
Raffael Bois sprang aus dem Ohrensessel, ignorierte fortan die sanften Töne, die sich seiner hypermodernen Hifi-Anlage entlockten und hatte nur noch Ohren für den Schrei.
Der hatte ihn förmlich elektrisiert, so schrill und durchdringend hatte er mühelos Mozarts Fünfte übertönt.
»Zamorra!« preßte der alte Mann hervor.
Und reagierte.
Sein Alter merkte ihm in Extremsituationen niemand an. Schließlich war er ständig im Training und schwor überdies auf Knoblauch nicht nur als Hausmittelchen gegen aufmüpfige Vampire.
In Sekundenschnelle war er draußen auf dem Korridor.
Dort brannte Licht.
Der Schrei war inzwischen verstummt.
Das Arbeitszimmer, entschied Raffael in Gedanken, als er sich den Ursprung des Schreies in Erinnerung rief. Sein Gehör funktionierte noch tadellos.
Raffael spurtete.
Vor der offenen Tür zu Zamorras Studierzimmer prallte er ums Haar mit einer recht leger bekleideten Dame zusammen.
Nicole Duval.
»Haben Sie’s auch gehört?« fragte sie atemlos.
Der Butler nickte steif.
Sie drängte an ihm vorbei ins Zimmer. Raffael folgte ihr und konnte diesmal den Zusammenstoß mit ihr nicht vermeiden, weil sie allzu plötzlich stehen blieb.
Aus ihrer Kehle löste sich ein verzerrter Laut.
Und dann sah es auch der Butler.
Vor ihnen - brannte Zamorra!
***
Dan Ryker stülpte sich die Kapuze des Regenmantels über den Kopf und verließ die Holzveranda über die kleine Treppe, an die der Kiesweg anschloß. Scharfer Wind, mit Regen vermischt, peitschte ihm ins Gesicht. Es störte ihn kaum.
Er überlegte nur wegen Susan flüchtig, ob er nicht doch lieber unter dem relativen Schutz des Vordaches bleiben sollte, entschied sich aber dagegen.
Das Spiel der Elemente war ihn nicht unangenehm, und Angst vor Gewittern kannte er nicht. Im Gegenteil, es faszinierte -ihn auf gewisse Weise.
Schritt für Schritt entfernte er sich vom Haus. Sein Blick war trotz des Regens häufig nach oben gerichtet, wo sich wahre Wolkengiganten jagten.
Ryker atmete tief durch. Er spürte, wie die Übelkeit aus seinem Körper floh, als würde er sie ausschwitzen.
Er drehte den Kopf nach Osten. Dort war nichts zu sehen. Die Nacht verschlang alle Konturen. Aber Ryker wußte, daß sich nur wenige Meilen entfernt in dieser Richtung die Überbleibsel einer uralten und weltberühmten Kultstätte befanden.
Die Menhire von Stonehenge.
In seiner Freizeit beschäftigte er sich stark mit den Grenzbereichen der Realwissenschaften und schreckte auch nicht vor sogenanntem Okkulten und Übersinnlichen zurück. Stonehenge hatte es ihm dabei besonders angetan, obwohl gerade die übergroße Bekanntheit dieses Ortes eigentlich viel von seinem natürlichen Zauber hätte zerstören müssen. Seltsamerweise war gerade das Gegenteil der Fall. Ein Widerspruch?
Ryker lächelte grimmig, als könnten seine Augen die nasse Dunkelheit doch durchdringen und die ringförmig angeordneten Menhire von Stonehenge in der Feme erkennen.
Bei Tag hatte er die uralte Tempelanlage oft besucht, die geheimnisvollen, hochaufragenden Steine berührt und dabei seltsame Visionen längst vergangener Zeiten gehabt. Ähnlich wie in seinem furchtweckenden Traum in dieser Nacht sah er verschwommene Bilder von Dingen, die er in seinem wirklichen Leben noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Manchmal lief
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