0234 - Der Boß kennt kein Erbarmen
keuchte…
»Gleich«, stieß er hervor. »Gleich habe ich’s! Der Knoten ist schon locker!«
Er verschnaufte ein paar Sekunden, dann zerrte er weiter mit seinen Zähnen an dem Strick, mit dem Jenny Lindgreen gefesselt war.
Endlich löste sich der Knoten. Von nun an ging es rascher. Nach kurzer Zeit hatte Jenny Lindgreen die Hände wieder frei.
»Machen Sie ein paar Fingerübungen«, sagte Phil, »damit der Kreislauf wieder funktioniert. Aber beeilen Sie sich. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Kerle, die vorhin nachsahen, nicht noch einmal wiederkommen.«
»Ja«, nickte die Sekretärin eifrig. Sie öffnete und schloss die Fäuste schnell hintereinander. Dann löste sie Phils Fesseln. Sie knüpften sich selbst ihre Fußfesseln auf. Erleichtert sprang Phil auf die Beine.
»Sie bleiben vorläufig hier«, befahl er der Frau. »Ich sehe mich erst einmal um.«
»Aber bleiben Sie bitte nicht zu lange weg«, bat die Frau. »Ich glaube, ich werde einige Angst ausstehen.«
Phil lächelte ihr ermutigend zu.
»Ein zweites Mal lasse ich mich nicht übertölpeln«, versprach er.
Er huschte zur Tür, lauschte und schlich dann hinaus. Auf Zehenspitzen tappte er die Kellertreppe hinan.
Phil kam unangefochten die Kellertreppe hinauf und in den Flur, als er plötzlich Stimmen hörte. Er vernahm die Drohungen Calhoones, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließen.
Dann erkannte Phil die Stimme von Gilbert Mackinson.
Phil jagte los. Er vergaß die Tatsache, dass er keine Waffe hatte. Er wusste nur, dass man irgendetwas Grauenhaftes in diesem Augenblick mit Gilbert Mackinson vorhatte. Also handelte er.
Er jagte auf die Tür zu, hinter der der Schrei laut geworden war. Mit einem kräftigen Ruck riss er die Tür auf und sprang über die Schwelle. Er sah Gilbert Mackinson in seinen Fesseln hängen, die den alten Mann in dem hohen Armstuhl festhielten. Und er sah davor die Gestalt eines der beiden Gangster, die ihn in Polizeiuniform übertölpelt hatten. Mit einem jähen Sprung flog er auf den Kerl zu.
»Achtung!«, schrie jemand, den Phil bis zu dieser Sekunde noch gar nicht bemerkt hatte.
Der Gangster warf sich herum. Er konnte nicht mehr ausweichen. Phils Faust traf ihn ein wenig links vom Kinn. Er taumelte rückwärts. Phil schlug nach. Seine Faust landete in der Brustgrube des Mannes. Pfeifend entwich die Luft aus dessen Lungen. Ein drittes Mal schlug Phil zu. Der Gangster klappte nach vorn. Tief von unten heraus fuhr ihm Phils Faust entgegen. Der Mann wurde vier oder fünf Schritte zurückgeschleudert, stieß keuchend gegen einen Wandschrank und stürzte zu Boden. Keuchend blieb Phil stehen.
»Probieren Sie das mal mit mir!«, sagte eine leise Stimme in Phils Rücken.
Phil drehte sich um. Zum ersten Male sah er Calhoone. Der Gangsterchef saß in einem Rollstuhl.
»Ich schlage mich nicht mit Versehrten«, sagte Phil. »Selbst wenn sie solche Verbrecher sind wie Sie.«
»Es wird Ihnen kaum erspart bleiben«, entgegnete Calhoone und zog die Wolldecke von seinen Beinen. Langsam und ohne die geringste Anstrengung stieg er aus seinem Rollstuhl. Er war nicht gelähmt. Aus irgendeinem abwegigen Grund heraus hatte er zwei Jahre lang den Gelähmten gespielt.
Phil sah, wie Calhoone langsam auf ihn zukam. Aber das schlimmste war, dass der Gangster eine kleine Pistole in der Hand hielt.
»Ich werde dich zusammenschießen«, sagte Calhoone ruhig. »Das Ding macht nicht viel Lärm. Auf der Straße wird man es kaum hören. Aber für dich werden die Kugeln ausreichen. Auch wenn es so ein kleines Kaliber ist.«
Ganz langsam wich Phil zurück. Einmal schritt er rückwärts um den runden Tisch herum, der in der Mitte des Zimmers stand. Calhoone kam ihm ebenso langsam nach. Seine Augen funkelten.
»Angst?«, fragte er.
Phil sagte nichts. Er machte den nächsten Schritt rückwärts. Plötzlich sah er aus den Augenwinkeln, wie der Rollstuhl links von ihm in sein Blickfeld kam. Wie absichtslos legte er die Finger der linken Hand leicht auf die Lehne des schweren Rollstuhles.
»Du bist ja ganz blass«, sagte Calhoone genießerisch. »Wo möchtest du denn die erste Kugel hinhaben, he?«
Phil machte einen weiteren Schritt zurück. Und dann ging alles so schnell, dass man es kaum verfolgen konnte. Mit aller Kraft stieß Phil den Rollstuhl nach vorn. Sofort danach warf er sich unter den runden Tisch.
Calhoone wollte dem schweren Rollstuhl ausweichen. Er schaffte es nicht ganz. Die stählerne Leiste am Fußende krachte
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