0234 - Macht und Mythos
Fall. Ich befand mich in der Höhle und kam einfach nicht mehr hinaus. Der Eingang wurde von dem Drachen völlig verdeckt.
Und doch wollte ich nicht kampflos untergehen. So schnell die klebrige Zunge auch war, ich war noch um eine Idee schneller. Zwar drehte ich mich auf der Stelle, dann jedoch und mitten in der Bewegung katapultierte ich mich zur Seite.
Mit einem kräftigen Sprung schaffte ich mich aus der Gefahrenzone, landete auf den Füßen, nur es gelang mir nicht, auf den Beinen zu bleiben, weil es so gut wie unmöglich war, mit gefesselten Händen mein Gleichgewicht zu behalten. Meinen Schwung konnte ich noch etwas abbremsen und krachte danach auf die Knie.
In dieser Haltung blieb ich nicht, denn die Zunge war gedankenschnell zurückgezogen worden, um abermals gegen mich vorzustoßen.
Ich entschied mich innerhalb eines Gedankensprungs. Meine verzweifelte Aktion hatte mich ein Stück zur Seite geschafft, und zwar so weit, dass ich die Rückseite des Altars sehen konnte.
Der Altar bestand aus einem Steinquader. Dieser erhob sich von einem Podest, zu dem mehrere Stufen hochführten. Vier waren es insgesamt. Dies jedoch nur an der Vorderseite. Die Rückseite war glatt, und wenn ich an ihr hochschaute, konnte ich die Steinplatte erkennen, die auf dem Altar lag und an den Rändern überstand.
Die Platte war nicht leer. Dort hatte der Spuk wie zum Hohn mein Kreuz hingelegt oder hinlegen lassen, denn er selbst wurde durch die Berührung geschwächt, und neben dem Kreuz stand aufgeschlagen das Buch der Sieben Siegel.
Sechs Siegel beschäftigten sich mit Schwarzer Magie. Eins jedoch, das vierte, wusste mehr über die Herkunft und über die Geheimnisse meines Kreuzes zu berichten.
Bisher war ich nicht dazu gekommen, das Siegel zu entziffern. Zudem war es in einer Sprache geschrieben, die ich wohl lesen, aber nicht verstehen konnte.
Bevor die verdammte Zunge ein zweites Mal auf mich zufahren konnte, hatte ich mich schon abgestoßen. Es war ein Verzweiflungssprung wie der erste auch, und er brachte mich flach über den Boden.
Dann die Landung. Hart war sie, aber ich konnte mich über die Schulter hinweg abrollen. Während der Drehung sah ich die rötlich schimmernde Zunge, wie sie am Altar und auch an mir vorbeihuschte und etwa zwei Schritte von meinen Füßen entfernt zu Boden klatschte.
Prustend stieß ich die Luft aus. Eine winzige Galgenfrist war mir vergönnt. Der Steinaltar deckte mich vorerst gegen die Attacken von Nepreno ab.
Liegenbleiben konnte ich nicht. Ich musste mich auf die Füße quälen. Das schaffte ich nicht so schnell wie normal, denn mit gefesselten Händen ist es gar nicht so einfach.
Schließlich stand ich doch, und ein wahnsinniger Gedanke zuckte durch mein Hirn.
Der Spuk hatte in seiner Siegesgewissheit mein Kreuz auf dem Altar liegengelassen. Mir war es inzwischen gelungen, die gefesselten Hände nach vorn zu bekommen. Ich konnte auch die Arme heben und das auf dem Altar liegende Kreuz erreichen.
In diesen Momenten dachte ich auch nicht an die Gefahr, in der ich mich befand, denn die Situation konnte man bei näherer Betrachtung als ausweglos bezeichnen. Ich wollte nur überleben und griff deshalb zum kleinsten Strohhalm.
Nie hätte ich mir träumen lassen, dass es einmal soweit kommen würde. Es hatte alles schon so gut ausgesehen, bis der große Gegenschlag erfolgt war.
Begonnen hatte es mit einem Anruf. Lupina bestellte mich zu einem Treffpunkt außerhalb Londons.
Als ich meinen Schock über ihre Existenz überwunden hatte, eröffnete sie mir ein kleines Geheimnis.
Sie berichtete von einem Buch, das aufgetaucht war und in dem etwas über mein Kreuz stand. Ich ahnte dabei nicht, dass Sarah Goldwyn, die Horror-Oma, das Buch inzwischen erworben hatte. Von einem Trödler, der den Verleih des Buches mit seinem Leben bezahlen musste. Die Monstren des Spuks hatten eingegriffen und ihn eiskalt getötet. Lady Sarah konnte fliehen, alarmierte Suko, der zu ihr fuhr, doch schon von Lupina und deren Wolfshelfern erwartet wurde. Lupinas Spiel schien aufgegangen zu sein. Ich befand mich noch außerhalb Londons, während sie dicht vor dem Ziel stand und das Buch an sich nehmen wollte. Sie hatte die Rechnung ohne Lady X, ihre »Mörderin«, gemacht. Die Vampirin hatte mit dem Spuk einen Pakt geschlossen. Beide wussten, dass das Buch auf keinen Fall in die Hände des Geisterjägers gelangen durfte, denn das hätte im Dämonenreich zu schrecklichen Veränderungen führen können.
Während Suko
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