0235 - Hexenabend mit Jane Collins
Zettel verstaute er in der Manteltasche und rief bei John Sinclair an.
In dessen Wohnung hob niemand ab. Auch nicht im Büro, so daß Bill die Idee kam, mit Suko zu telefonieren.
Der traf gerade ein, wie Shao ihm sagte. Dann reichte sie den Hörer weiter.
»Ja, Bill, was ist denn los?«
Der Reporter räusperte sich. »Hör mal, Suko, ich kann John nicht erreichen. Weißt du, wo er steckt?«
Suko lachte. »Nein, das weiß ich nicht. Vielleicht ist er auf Bummeltour. Du weißt doch, drei Tage Sonderurlaub. Den muß der alte Knabe ja mal ausnutzen.«
»Das ist blöd.«
»Wieso?«
»Ich habe da ein seltsames Erlebnis gehabt, von dem ich John unbedingt berichten möchte.«
»Sag es mir!«
»Okay, aber halte dich fest. Mir ist Jane Collins über den Weg gelaufen!«
Suko, der sich sonst immer gut in der Gewalt hatte, zeigte sich diesmal überrascht. »Das ist doch nicht möglich«, flüsterte er. »Einfach so aus Zufall oder…«
»An einen Zufall glaube ich nicht. Die hat mich verfolgt. Denk mal ein paar Tage zurück, was sie uns versprochen hat. Sie wollte in London bleiben und sich rächen.«
»Ja, da kannst du recht haben. Ich frage mich nur, auf welche Art und Weise sie das anstellen will.«
»Die Rache?« Bill lachte. »Suko, Jane ist eine Hexe. Und Hexen können zaubern, wenn ich das mal so märchenhaft sagen darf. Sie besitzt dämonische Kräfte, und wie ich sie einschätze, wird sie die auch rücksichtslos einsetzen.«
»Dann müßten wir John warnen.«
»Das ist auch meine Ansicht.«
»Ich werde mal sehen, ob ich ihn irgendwo auftreiben kann«, sagte der Chinese. »Fährst du nach Hause?«
»Hatte ich vor.«
»All right, dann rufe ich dich zu Hause an, sollte ich Erfolg haben.«
Bill brummte ein wenig. »Wir wollten eigentlich ins Theater, aber das ist wohl hinfällig.«
»Dann spiele Sheila Theater vor«, erwiderte der Chinese und legte auf, bevor Bill ihm noch von dem seltsamen Bild erzählen konnte, das sie ihm vor die Füße geworfen hatte.
So kam es, daß die wichtige Spur zu Glenda Perkins erkaltete…
***
Das Messer steckte quer in dem Kopf, und die Klinge war so lang, daß sie an der anderen Seite wieder heraustrat.
Glenda saß für die Zeitspanne eines Atemzugs wie versteinert auf ihrem Platz.
Dann schrie sie.
Grell, markerschütternd, die Panik schüttelte sie, und der Fahrer vor ihr zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Er trat auf die Bremse, der Wagen ruckte, stand, und im gleichen Augenblick bekam das Taxi von hinten einen Stoß.
Da war jemand aufgefahren.
Der Fahrer holte tief Luft. Sein Gesicht schwoll rot an, die Hände zitterten, dann wirbelte er auf seinem Sitz herum, zog die Trennscheibe auf und fauchte seinen schreckensbleich dasitzenden weiblichen Fahrgast an. »Sind Sie eigentlich verrückt, hier so zu schreien?«
Glenda schüttelte den Kopf, sagte jedoch keinen Ton.
»Verdammt, weshalb haben Sie geschrien?«
»Der Kopf«, flüsterte sie. »Der Kopf.«
»Welcher Kopf?«
»Der mit dem Messer. Neben mir, auf dem Sitz. Er liegt da.« Sie schaute starr geradeaus. »Nehmen Sie ihn weg, bitte! Ich kann ihn nicht mehr sehen.«
Der Fahrer beugte sich so weit vor, wie es ging. Er schaute in den Fond und sah nur seinen Fahrgast, aber keinen auf dem Sitz liegenden Kopf mit einem Messer darin.
»Da ist nichts, zum Henker!«
»Nichts?« Glenda öffnete erstaunt den Mund. »Aber ich habe ihn doch selbst gesehen…«
»Dann müssen Sie sich mal eine Brille anschaffen. Ihre Augen sind schlecht. Es gibt keinen Kopf, der auf der Sitzbank liegt. Merken Sie sich das. Sie machen hier Land und Leute durch Ihr Schreien…«
Jemand klopfte heftig gegen die Scheibe. Es war der Fahrer des Wagens, der aufgefahren war. Zornrot war sein Gesicht, die Augen funkelten. Der Taxichauffeur öffnete die Tür und wollte aussteigen.
Kaum hatte er seinen Fuß ins Freie gesetzt, da begann der andere schon zu schreien.
»Verrückt, was? Hier einfach zu bremsen!«
Die beiden bekamen Streit, um den sich Glenda jedoch nicht kümmerte. Wie eine Puppe hockte sie im Fond, nur ihre nervös spielenden Hände bewiesen, daß noch Leben in ihr steckte.
Sie hörte zwar, was sich neben dem Wagen abspielte, doch ihre Gedanken waren ganz woanders. Nein, getäuscht hatte sie sich nicht. Da hatte der Kopf gelegen. Ihr Kopf war es, quer mit einem Messer durchstoßen.
Glenda schluchzte auf, senkte das Gesicht und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Sie wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, bis
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