024 - Irrfahrt der Skelette
Kleidung von X-RAY-3 war völlig durchnäßt. Aber das war
unwichtig. Wichtig war allein das Leben und die Warnung an die Menschen, die
bisher von dem tödlichen Gas noch nicht dahingerafft worden waren. Wie durch
ein Wunder war auch Larry Brent bisher davongekommen. Aber es brauchte sich nur
der Wind zu drehen, und Millionen tödlicher Moleküle landeten auf der anderen
Seite des Schiffes und löschten weitere Menschenleben aus.
Mühselig war es, zur Brücke zu kommen. Mit ungeheurer
Kraftanstrengung schaffte es der Agent.
Canopi lief der Schweiß in Strömen von der Stirn. Von der Brücke
aus hatte er einen Blick auf das gesamte Schiff.
Am Bug standen die Menschen zusammengedrängt. Viele hatten auf Anraten
der Matrosen und des Bedienungspersonals schon Schwimmwesten angelegt.
"Geben Sie den Befehl, die Rettungsboote herabzulassen!«
Larry stürzte in die Kabine, sein Körper triefte, und er wischte
sich das salzige Wasser aus den Augen und den Mundwinkeln.
»Das Gas, es bringt uns alle um! Mit den Rettungsbooten besteht vielleicht
die Möglichkeit, noch einige Menschen dem sicheren Tod zu entreißen!«
Canopi schüttelte den Kopf.
»Viele werden ihr Leben verlieren. Das Schiff befindet sich nicht
in Seenot, hier auf der Andrea Morena sind sie sicher.«
»Es geht hier nicht mehr um die Frage der Seenot, Kapitän«,
drängte Larry. »Es geht darum, das kleinere Übel zu wählen.«
Die Augen des Agenten sagten mehr, als tausend zusätzliche Worte
es vermocht hätten. Canopi gab über die Bordsprechanlage die Erlaubnis, die
Rettungsboote herabzulassen. Die Passagiere sollten sich genau in die Boote
begeben, die ihnen bei der Einweisung genannt worden waren.
Außer dem Kapitän befanden sich der Bootsmann und der Dritte
Offizier auf der Brücke. Der Bootsmann steuerte das Schiff; die Automatik war
längst ausgeschaltet worden.
Canopi studierte eifrig die Seekarte. Er machte einen
unglücklichen Eindruck.
»Der Sturm hat uns von der Position abgedrückt. Wir sind viel
weiter westlich, als wir sein dürften. Und dieses Gebiet hier ist verseucht mit
zahllosen Korallenriffen!«
Als hätte es nur dieser Worte bedurft, knirschte es plötzlich
unter der Andrea Morena Die Menschen auf den Decks wurden wie die Fliegen
durcheinandergeschüttelt.
Dann der Schreckensruf über die Sprechanlage aus dem
Maschinenraum: »Leck im Maschinenraum! Wasser dringt ein ...!«
Ein Unglück kommt selten allein. Auf der Andrea Morena ging es
drunter und drüber.
Die Panik war nicht mehr aufzuhalten.
Menschen sprangen ins Wasser oder wurden von schäumenden Brechern
von Deck gespült.
Zahlreiche Passagiere gerieten sofort in den Strudel unterhalb des
Schiffes. Wenn sie nicht an der Schiffswand zerschmettert wurden, gerieten sie
in den tödlichen Sog und ertranken.
Und niemand vermochte zu helfen. Jeder hatte mit sich selbst genug
zu tun. War ein Rettungsboot gefüllt, wurde es herabgelassen. Zwei Mann der
Besatzung begleiteten es und gaben die notwendigsten Anweisungen.
Während die Rettungsboote wasserten, teilweise mit bis zu zwanzig
Passagieren beladen, fielen auf dem Luxusdampfer weitere Menschen dem
geheimnisvollen Gas zum Opfer.
»Hier, nehmen Sie ...!« Canopi riß die Tür eines Schränkchens auf
und zerrte die Schwimmweste heraus. »Sie haben doch keine Möglichkeit mehr,
Ihre aus der Kabine zu holen. Das Promenadendeck ist offensichtlich vollkommen
verseucht.«
In der Kommandozentrale gab es einige Schwimmwesten mehr. Canopi
legte sich eine an, während Larry seine befestigte. Er schlotterte vor Kälte.
Aber da war auch keine Zeit mehr, die Kleidung zu wechseln und etwas Wärmeres
überzuziehen, wie es normalerweise vorgeschrieben war.
Dies hier war mehr als ein Seenotfall! Die Verantwortlichen mußten
mit einem Problem fertigwerden, wie sie es nie zuvor kennengelernt hatten.
Als X-RAY-3 die Brücke hinabeilte, schlitterte er über das nasse
Sonnendeck und konnte sich nicht mehr fangen. Eine Welle spülte ihn über die
Reling. Er landete keine zwei Meter neben einem Rettungsboot, und man zog ihn
an Bord. Wortlos drückte man ihm ein Ruder in die Hand.
Die beiden Besatzungsmitglieder und alle Männer an Bord gaben das
Letzte her, um das Boot aus dem Bereich des sinkenden Schiffes zu bringen.
Innerhalb von zwei Minuten hatte das Geschehen auf der Andrea Morena seinen
Höhepunkt erreicht.
Zwei, drei weitere Boote, mit schreienden, zitternden Menschen
angefüllt, wurden herabgelassen.
Die Wellen hoben sie hoch in
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