0244 - Der Seelen-Vampir
Doppelbild des toten Mädchens schwebte neben der Leiche in der Luft.
Kein Wort wurde gesprochen. Die Hände des Seelensaugers glühten in einem dunklen Rot. Er aktivierte seine magischen Kräfte, preßte die Seele aus dem Leib der Toten, damit sie in seine Fänge geriet und von ihm aufgesaugt werden konnte.
Ein gespenstisches Bild, vom Fackelschein noch untermalt und von den zuckenden Schatten zu einer schaurigen Horror-Sinfonie gemacht.
Kein menschlicher Laut durchbrach die Stille dieses Verlieses tief unter der Erde.
Die Kälte des Todes wurde spürbar. Hier versuchte jemand, den Tod zu überwinden und ihm das zu entreißen, was ihm eigentlich nicht gehören sollte.
Der Plasmastreifen aus dem Mund des Mädchens wurde immer dünner.
Die Seele hatte den Körper des Mädchens verlassen, ihn aber genau nachgebildet und war nun greifbar für den Seelensauger.
Als Dämon brauchte er nicht zu atmen. Trotzdem sah es so aus, als würde er tief Luft holen, als er sich reckte und seine ursprüngliche Haltung aufgab.
Tarrasco löste die Hände vom Körper des toten Mädchens und richtete sich auf.
Langsam wandte er sich um.
Der Geist oder feinstoffliche Körper schwebte etwa in Brusthöhe vor ihm. Jede Gesichtsfalte war trotz der Durchlässigkeit genau zu erkennen, dieser Geist war in der Tat das genaue Abbild des echten Körpers.
Tarrasco schlich um den seltsamen Seelenkörper des Mädchens herum. Seine Schritte waren kaum zu hören, er hatte die Arme ausgestreckt, und die Hände blieben immer über dem Körper, wobei er seine Fingerspitzen leicht bewegte.
Nein, so leicht wollte er es sich nicht machen. Wenn er die Seele in sich aufnahm, bedurfte dies einer gewissen Vorbereitung. Er kostete das Vergnügen aus, denn wenn der Plasmakörper bereits im Raum stand, dann konnte ihn nichts mehr vor einem Verzehr retten.
Das rote Glühen war von seinen Händen verschwunden. Sie sahen jetzt aus wie immer.
Bleich, spinnenartig.
Die Nägel schimmerten heller. Wenn sie vom zuckenden Feuerschein erfaßt wurden, sah es so aus, als würde der Gluthauch der Hölle über sie hinwegstreifen.
Genau am Kopfende des Geistwesens verhielt er seinen Schritt.
Nun kam die Labung!
Seine Schultern sackten wieder nach unten. Mit einer fast unwilligen Gebärde schleuderte er seinen dunklen Mantel zurück. Der dabei entstandene Windzug streifte die Flamme der in der Nähe brennenden Fackel und ließ sie auf- und niedertanzen.
Er war hungrig, und er würde satt werden.
Ein wenig neigte er den Kopf nach vorn. In seine Augen trat ein seltsames Leuchten, vergleichbar mit einer unstillbaren Gier, die immer dann über ihn kam, wenn es soweit war.
Tarrasco öffnete den Mund. Danach verzog er so die Lippen, daß seine Wangen kleine Höhlen zeigten, als hätte jemand mit einem Finger hineingestochen.
Das saugende Geräusch entstand wie von selbst.
Der Seelen-Vampir begann zu schlürfen.
Es mußte sich für einen Menschen widerlich anhören, wie er schmatzte und saugte. Zwischen den Schlürflauten ertönte manchmal ein – hohl klingendes Pfeifen, und er brachte seine gespitzten Lippen bis dicht an den Kopf des in der Luft schwebenden Plasma-Wesens heran.
Berührung!
Aus dem Schlürfen wurde ein sattes Schmatzen. Eine Kraft schien an dem Geistwesen zu zerren, der Kopf verformte sich und wurde an seiner Oberseite in die Länge gezogen, so daß er eine seltsame Form bekam. Lang, oval, einem normalen Ei ähnlich.
Ein wenig hatte der Seelen-Vampir seine Arme erhoben und sie gleichzeitig angewinkelt. Er stand da, zitterte leicht, und immer mehr verschwand von dem Kopf des körperlosen Mädchens.
Tarrasco saugte es auf.
Er machte in diesen Augenblicken seinem Namen alle Ehre, tankte durch die Seele des Mädchens neue Kraft, hatte die Augen verdreht, den Blick dabei gesenkt und sah zu, wie immer mehr des Plasmastoffes in seinem Mund verschwand.
Begleitet wurde dieser Vorgang von dem widerlichen Schlürfen und Schmatzen, das auch die Ghouls bei ihrer Nahrungsaufnahme von sich gaben.
Der Seelenvampir gab keine Ruhe. Noch immer hing er mit seinem Mund an dem Geistkörper fest, der bereits zur Hälfte in seinem Körper verschwunden war.
Es war ein schreckliches Bild. Schon allein die Tatsache an sich war grauenhaft, sie wurde zusätzlich noch von dem zuckenden Schein der Fackeln untermalt und bekam einen noch schaurigeren Touch.
Der Seelensauger war in seinem Element. Noch schneller, hastiger und gieriger wurde er. Dabei spürte er, daß sich
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