0244 - Der Seelen-Vampir
nicht, denn dieses Schwarz, das machte ihn unruhig und ließ Furcht in ihm hochsteigen.
Er war Rumäne, er kannte die Legenden und Sagen, die die Menschen aus den Karpaten mit in die Städte gebracht hatten. Es ging da meistens um Vampire, Werwölfe und Dämonen. Finstere Schattengestalten, die Menschen anfielen und sie zu schrecklichen Dienern machten.
Der Kapitän hatte bisher noch keinen Vampir zu Gesicht bekommen. Auch in seiner Heimat nicht, bis er Vampiro-del-mar und Lady X getroffen hatte.
Nun wußte er, daß es sie gab!
Er dachte an Weihwasser, an ein Kreuz, an Knoblauch, und er dachte an einen angespitzten Eichenpflock. Mit diesen Waffen ließen sich Vampire töten. Endgültig vernichten.
In den Särgen sollten keine Vampire liegen. Das hatte ihm Lady X zu verstehen gegeben. Aber konnte er ihrem Wort trauen? Der Kapitän fürchtete sich zwar vor ihr, dennoch keimte auch eine gewisse Besorgnis in ihm hoch, denn er dachte an seine Mannschaft, für die er die Verantwortung trug.
Diese Männer sollten lebend und als normale Menschen in Rumänien ankommen. Wenn er einen Vampir im Lagerraum fand, dann wollte er ihn auch vernichten.
Sich auf das Wort der Lady X zu verlassen, war nicht gut. Er wollte auf Nummer Sicher gehen.
Kalt kroch es über seinen Rücken, als er sich auf die Särge zubewegte. Nur auf Zehenspitzen ging er und sah im zitternden Lichtstrahl der Lampe unzählige Staubpartikel tanzen.
Vor den Särgen blieb er stehen. Mittlerweile hatte sich auch eine Staubschicht auf die Sargdeckel gelegt. Trotzdem glänzten sie irgendwie fahl, zudem rochen sie muffig.
Der Kapitän zögerte noch. Er war ein harter Geselle, das mußte man sein, wenn man zur See fuhr. Aber Särge zu öffnen, war doch nicht seine Sache. Das gefiel ihm nicht so recht.
Da hörte er das Kratzen!
Ein fürchterliches Geräusch, und es war vor ihm, in einem der Särge entstanden.
Da wollte jemand raus!
Also keine Leichen, die Untote hatte den Kapitän angelogen! Diese Erkenntnis traf Romanescu sehr hart. Jegliches Blut wich aus seinem Gesicht, und er spürte das Zittern in den Knien. Mindestens einer der Särge war nicht mit einer normalen Leiche besetzt, sondern mit einem lebenden Toten.
Und das war schlimm.
Der Kapitän bekam einen weiteren Horror, als er das Klopfen vernahm. Von der Innenseite her pochte jemand gegen den Sargdeckel.
Ein dumpfes Geräusch erklang, diese Bestie der Dunkelheit gab sogar noch Zeichen, sie forderte, daß man sie rausließ, und Romanescu schüttelte heftig den Kopf. Nein, das durfte er nicht, er mußte jetzt den klaren Überblick behalten und vor allen Dingen die Untote in ihrer Kiste lassen.
Er hatte sich weiter konzentriert und wartete auf das neue Geräusch. Ja, das häßliche Kratzen erklang. Diesmal hielt der Mann die Gänsehaut zurück, er stellte jedoch fest, daß dieses Geräusch aus dem rechts außen stehenden Sarg drang.
Daher also!
Ein Schritt brachte ihn an den schwarzen Sarg. Dort ging er in die Knie, achtete auch nicht mehr auf die weiteren Laute, sondern kontrollierte die Verschlüsse.
Sie saßen fest.
Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Als er allerdings das irgendwie drohend klingende Lachen vernahm, da zuckte er jäh in die Höhe und torkelte zurück.
Nein, in diesem verdammten Lagerraum hielt ihn nichts mehr.
Nicht alles Gold der Erde.
Er rammte hart die Tür hinter sich zu, als er aus dem Raum geflohen war. Schweißbedeckt und schweratmend blieb er an der Gangwand stehen und mußte erst einmal zu Luft kommen.
Die beiden anderen Vampire hatten versucht, ihn zu leimen, doch er war hinter das schreckliche Geheimnis gekommen. Es befand sich noch ein dritter Blutsauger auf dem Frachter.
Nur – was hatten die beiden anderen mit diesem vor?
Der Gedanke daran bereitete ihm Magendrücken…
***
Sie war nicht tot! Nein, ihre Seele befand sich noch im Körper, das sah Tarrasco genau. Aber sie stand dicht davor, die Schwelle zum Jenseits zu überschreiten.
In dem alten Verlies unter der Erde hatte sich ein unheimliches Fluidum ausgebreitet. Die nackten, kahlen Wände, die flackernden Fackeln, das geheimnisvolle Spiel von Licht und Schatten, das manchmal mehr verdunkelte als erhellte, der Verwesungsgeruch und das ferne Rauschen der Brandung, das wie eine Todesmelodie den letzten Weg des Mädchens begleiten wollte.
Hier stimmte die Horror-Atmosphäre, und der Seelen-Vampir fühlte sich wohl.
Er kniete neben der alten Liegestatt. Die Geheimtür hatte er nicht wieder
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