0247 - Kein Mörder träumt vom Todesstuhl
den Gang in die Küche. Auf dem Tisch standen eine Kaffeekanne, eine halbgefüllte Tasse und ein angebissenes Sandwich.
»Wo ist sein Zimmer?«, erkundigte ich mich.
»Die zweite Tür rechts, geradeaus.«
Wieder ein Gang. Dann klopfte ich an die Tür.
Niemand meldete sich. Ich drückte auf die Klinke, stand auf der Schwelle und sagte über die Schulter zurück: »Bleiben Sie draußen, Esther.«
Leider hatte sie schon gesehen, was ich ihr ersparen wollte.
***
Louis Boiler, der sich Blith nannte, lag am Boden.
Es sah zunächst so aus, als sei er eines natürlichen Todes gestorben. Aber dann sah ich am Haaransatz der rechten Schläfe das kleine schwarze Loch und das Blut, das sich auf dem Fußboden zu einer Lache angesammelt hatte. Ich fühlte Esthers Finger, die sich in meinen rechten Oberarm gruben.
»Hände hoch«, befahl eine leise Stimme hinter uns, und ich fühlte den Druck eines Pistolenlaufs im Rücken.
Noch nie war ich so vollkommen überrumpelt worden.
Ich hatte nicht im Entferntesten daran gedacht, dass der Mörder noch im Haus war.
Ich hob zögernd die Hände bis in Kopfhöhe und wartete auf den Augenblick, in dem die Aufmerksamkeit des Kerls nachlassen würde.
»Höher, wenn ich bitten darf und auch Sie, Esther. Ihr könnt alle beide von Glück sagen, dass ich euch nicht sofort erschossen habe. Ihr könnt noch eine Stunde am Leben bleiben, wenn ihr euch entsprechend benehmt. Vor allem habe ich euch Verschiedenes zu fragen.«
Er schwieg und ich fühlte seine Hand, die mir die Pistole aus dem Halfter zog.
»So, und nun mit dem Gesicht zur Wand… Legt die Handflächen gegen die Mauer… Zwei Schritte zurück! Noch etwas mehr, bitte.«
Der Kerl verstand sein Handwerk.
Wenn man sich mit beiden Handflächen gegen die Mauer stützt und zwei Schritte zurück macht, so ist man vollkommen wehrlos. Man braucht beide Hände, um sich vor dem Hinfallen zu bewahren.
»Louis war zu dumm. Er musste ins Gras beiße. Ich konnte es nicht riskieren, dass er noch mehr Dummheiten machte, wie die mit der Hintertür. Von euch beiden will ich wissen, wie weit ihr gekommen seid. Ihr beide seid mir ein bisschen zu klug. Das ist der Grund, um euch zu erledigen. Wenn ich euch leben lasse, so könnt ihr heute oder morgen durch einen puren Zufall darauf kommen, wer der Alten die Luft abgestellt hat. Ihr wisst zu viel, und ihr kombiniert zu viel. Wollt ihr mir nicht etwas erzählen, was ich vielleicht noch nicht weiß?«
»Sie sind ein ebenso eingebildeter wie dummer Bursche«, antwortete ich.
Wenn er wütend wurde, so würde er vielleicht für ein paar Sekunden in seiner Aufmerksamkeit nachlassen.
»Sie können mich nicht beleidigen, G-man. Von Ihnen, Esther, möchte ich jetzt erfahren, wohin der Kram aus der Kassette gekommen ist. Ich nehme an, dass Sie das wissen.«
Esther schwieg.
»Ich habe Sie etwas gefragt.«
Das Mädchen stieß einen leisen Schrei aus, schwieg aber weiter.
»Dann lassen wir es. In zehn Minuten werden Sie darum betteln, reden zu dürfen. Wie ist es mit Ihnen, Cotton? Wer bin ich?«
»Das kann ich nicht sagen, ohne Ihr Gesicht gesehen zu haben«, antwortete ich.
»Das könnte Ihnen so passen. Mein Gesicht werden Sie nicht sehen. Solange Sie leben, traue ich Ihnen alles zu. Ich möchte sicher gehen.«
»Dann tut es mir leid, Mr. Unbekannt. An der Stimme erkenne ich Sie nicht.«
»Haben Sie auch sonst keine Ahnung?«
»Ahnungen habe ich eine ganze Menge, aber keine Gewissheit.«
»Und damit Sie diese nicht bekommen, werden Sie beide erledigt. Machen Sie zwei Schritte nach vorn, aber halten Sie die Hände hoch. Gehen Sie hinaus zur Küche und dann zur Hintertür. Hüten Sie sich vor jeder falschen Bewegung. Meine Kanone hat einen Schalldämpfer. Nein, Sie bleiben hinten, Cotton. Sie wären imstande, eine Gegenwehr zu riskieren. So, und jetzt links rum.«
Zu meinem Erstaunen war die Hintertür weit geöffnet, die Schlösser waren durchgesägt. Im Garten war es dunkel, aber der Kerl verfügte über eine außerordentlich helle Taschenlampe, die er auf uns gerichtet hielt.
»Hinüber zur Garage und keine Faxen!«
Ich hätte es riskiert, einen schnellen Sprung ins Dunkel zu machen, aber dann würde der Bursche Esther töten.
Wir gingen im Gänsemarsch geradeaus. Die Garagentür stand offen. Er drehte den Schalter, und die nackte Birne an der Decke verbreitete blendendes Licht. In der Garage standen ein Buick-Roadster und eine Pontiac-Limousine.
»Machen Sie den Schlag auf«, befahl
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