0247 - Kein Mörder träumt vom Todesstuhl
er.
Esther, die vorausging, gehorchte.
Im gleichen Augenblick sprühten hunderttausend Sterne vor meinen Augen.
***
Langsam, ganz langsam ging der Vorhang hoch, der vor mein Bewusstsein gefallen war. Das Gehör war das erste, das wieder zu arbeiten begann. Ich hörte eine Stimme, eine Frauenstimme, die ich kannte, aber ich wusste nicht woher.
Ich vernahm auch ein leises, pochendes Geräusch, das Geräusch eines Motors im Leerlauf. Dann fühlte ich einen brennenden Schmerz an meiner rechten Hand. Ich wollte diese Hand wegziehen, aber ich konnte nicht.
Der Schmerz hörte auf und kam wieder.
»Jerry, Mr. Cotton, Jerry. So wachen Sie doch auf!«
Jetzt wusste ich es. Das war Esther Armstrongs Stimme, aber warum sollte ich aufwachen?
Ich schlief doch gar nicht. Mit größter Anstrengung öffnete ich die Augen. Um mich war es stockfinster und ich fühlte mich eingekeilt, als ob ich im Sarg läge.
»Mr. Cotton!«
»Ja…«, stieß ich atemlos heraus. »Ja, was ist denn los?«
»Gott sei Dank. Der Kerl, der uns in die Garage brachte, hat Sie niedergeschlagen. Er hat Ihre Hände gefesselt, genau wie meine. Wir sind hier im Innern eines Wagens. Er hat die Türen verschlossen und den Motor angelassen. Bleiben Sie um Gottes willen wach, Jerry. Schlafen Sie nicht ein. Wir ersticken sonst. Wir müssen hier raus!«
***
Jetzt roch ich es. Ich roch die Auspuffgase eines laufenden Motors und wusste sofort, was uns drohte. Wir lagen im Fond, zwischen der Lehne der Vordersitze und den Rücksitzen. Unsere Hände waren gefesselt und der Gangster hatte wahrscheinlich einen Schlauch an das Auspuffrohr geschlossen und in den Wagen geleitet.
Die unmittelbare Gefahr brachte mich wieder zu mir. Mein Schädel schmerzte noch unerträglich. Ich riss an den Fesseln meiner Handgelenke, aber das Einzige, was ich ereichte, war, dass sie noch tiefer ins Fleisch schnitten.
Esther lag halb über mir, und so fragte ich sie: »Können Sie es schaffen, auf die Polster zu kriechen?«
»Ich werde es versuchen.«
Ich hörte sie keuchen und dann sagte sie: »Ich bin oben.«
»Drehen Sie sich so, dass ich mit den Zähnen an Ihre Handgelenke kann.«
Wieder arbeitete sie, und dann hatte auch ich mich auf die Knie aufgerichtet und fühlte blindlings mit dem Mund, bis ich den Strick zwischen den Zähnen hatte. Es war keine leichte Arbeit. Die Luft wurde immer schlechter und der Sauerstoff immer knapper.
Der Motor tuckerte unaufhörlich und stieß seine Auspuffgase aus, die uns bald erledigt haben würde. Meine Zähne schmerzten und das Zahnfleisch blutete. Lange würde ich es nicht mehr aushalten.
Endlich, schon glaubte ich rote Schleier vor meinen Augen zu sehen, lockerte sich die Stelle des Stricks, die ich unablässig bearbeitete.
Dann konnte ich das Ende herausziehen, aber noch war es nicht geschafft. Mein Atem ging wie ein Blasebalg. Ich wusste, wenn ich jetzt aufhörte, so würde ich umfallen und einschlafen um nicht mehr aufzuwachen.
Ich riss, ich nagte und riss wieder. Esther war ganz still geworden. Ich hätte gerne nach ihrem Atem gelauscht, aber ich wagte nicht, meine Anstrengungen zu unterbrechen.
Endlich…
Der Strick fiel ab, und ihre Hände waren frei. Aber sie rührte sich nicht.
»Esther!«, schrie ich und nochmals »Esther!«
Wenn ich sie nicht zur Besinnung bekam, so waren wir beide erledigt. Ich packte ihre Haare mit den Zähnen und zerrte daran. Ich schüttelte ihren Kopf und riss mit all meinen Kräften. Und endlich sagte sie ein kleines Wörtchen.
»Au.«
»Esther, wachen Sie auf.«
Sie hob den Kopf.
»Ich bin so müde.«
»Sie dürfen nicht müde sein. Wir ersticken. Versuchen Sie, das Fenster herunterzukurbeln.«
Ganz langsam kam sie hoch. Ich fühlte, wie sie sich über mich beugte und dann: »Es geht nicht. Er hat die Kurbel herausgeschraubt.«
Der Bursche hatte an alles gedacht, aber jetzt sollte er sein Ziel nicht mehr erreichen.
Wenn ich doch wenigstens die Hände freigehabt hätte.
»Heben Sie das Polster hoch. Strengen Sie sich an. Sie dürfen nicht nachgeben. Es geht um unser Leben.«
»Ich weiß«, sagte sie matt, aber dann glitt sie von dem Sitz und zerrte an dem Polster.
»Ich schaffe es nicht«, stöhnte sie.
»Sie müssen es schaffen. Wollen Sie hier sterben?«
Sie merkte nicht, dass sie auf mir herumtrat. Dann hörte ich ein Schleifen und Knarren, einen lauten Seufzer. Das Polster fiel auf mich und erstickte mich fast. Ich vernahm, wie sie rumorte, das Klirren von Metall und dann ein
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