0247 - Kein Mörder träumt vom Todesstuhl
erinnere mich noch an die Geschichte. Wir waren damals alle überrascht, dass der Bursche sich verknacken ließ, ohne seinen Boss mit hineinzureißen. Er muss irgendwelche Gründe gehabt haben. So so, der Kerl ist seit sechs Wochen wieder frei und schickt sein liebes Brüderchen, um Leute aus dem Weg zu schaffen, die ihm gefährlich sind.« '
»Das merkwürdige ist, dass kein Mensch imstande ist, den Kerl zu finden«, überlegte ich. »Wenn einer der großen Fische aus dem Knast kommt, so spricht sich das überall herum. Und die lieben Kollegen beeilen sich, ihm die von der ungewohnten Zuchthausarbeit schwielige Hand zu drücken und ihm zu gratulieren. Das heißt also, dass er keinen Wert darauf legt, alte Freundschaften zu erneuern.«
»Ich werde die Sache einmal überschlafen«, grinste Neville. »Vielleicht weiß ich morgen mehr.«
Was Neville unter »Überschlafen« verstand, wusste ich. Er hatte einmal wieder eine Ausrede, um die Spelunken des East Ends unsicher zu machen, anstatt der wohlverdienten Ruhe zu pflegen.
Es wurde halb acht, bis ich mich entschloss, Feierabend zu machen und ins Privatleben zurückzukehren. Als ich in Hut und Mantel dastand, warf ich noch schnell einen Blick nach draußen und sah, das es wieder angefangen hatte zu schneien.
In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
»Hier Briggs. Ich habe ein Anliegen an Sie, Agent Cotton. Können Sie mich sofort auf suchen? Es haben sich Umstände ergeben, die mich bewogen haben, meine Ansicht über den Fall, den Sie bearbeiten, zu ändern.«
Die Stimme war undeutlich und dumpf. Ich konnte den Anwalt nur mit Mühe verstehen.
»Können Sie nicht etwas lauter reden, Mr. Briggs?«, fragte ich.
»Ich spreche schon so laut wie möglich, aber die Verbindung scheint sehr schlecht oder die Leitung gestört zu sein. Es ist wohl am besten, wenn Sie zu mir kommen.«
»Und warum bemühen Sie sich nicht hierher, wenn Sie doch etwas von mir wollen?«
»Weil ich es nicht wage, wegzugehen. Schon seit einer Stunde habe ich den Eindruck, beobachtet zu werden. Bitte seien Sie doch so freundlich und besuchen Sie mich.«
»Meinetwegen«, sagte ich missmutig.
Ich war sicher, dass der Mann mir irgendwelchen Unsinn auftischen und nichts dabei herauskommen würde. Ich beeilte mich nicht sonderlich.
Unterwegs kaufte ich mir ein Hot Dog und einen Gin-Fizz, und so wurde es acht Uhr, bis ich in der City und vor dem zwölfstöckigen Bürohaus ankam, in dem Briggs residierte.
Die Haustür stand offen, in der Portierloge brannte Licht, aber der Pförtner glänzte durch Abwesenheit. Er hatte sein Buch, in das Besucher außerhalb der Bürostunden sich eintragen sollten, aufgeklappt.
Ich sah keinen Grund, warum ich mich darin verewigen sollte. Ich stieg in den Lift und fuhr nach oben.
In Briggs Office war Festbeleuchtung. Die Tür zum Vorraum war unverschlossen, aber kein Mensch war zu sehen. Ich klopfte an sein Privatbüro und erhielt keine Antwort. Also öffnete ich.
Mr. Briggs war abwesend, dafür aber schienen andere Leute dagewesen zu sein. Sämtliche Schubladen des Schreibtisches waren herausgezogen, und die Papiere und Akten lagen in wirrem Durcheinander überall herum. Auch die vier Aktenschränke waren geöffnet und durchwühlt. Sogar der Panzerschrank gähnte weit offen und davor sah ich einen Haufen Papiere auf dem Boden.
Ich war erleichtert, dass ich nichts anderes fand. Ich hatte schon geglaubt, es sei dem Anwalt an den Kragen gegangen. Nur der Kleiderschrank in der Ecke schien unberührt zu sein. Das irritierte mich irgendwie, aber das Ding war verschlossen und kein Schlüssel zu sehen.
Hinter mir knarrte die Tür.
»Bleiben Sie stehen und heben Sie die Hände hoch!«, befahl eine energische Stimme und dann kam einer und tastete mich nach Waffen ab. .
***
Es war das zweite Mal, das mir jemand die Pistole aus dem Halfter zog, und ich wäre vor Wut über meine Unvorsichtigkeit am liebsten in die Luft gegangen.
Ich hatte die primitivste Vorsichtsmaßregel, nämlich die Tür von innen zu versperren, außer Acht gelassen.
»Umdrehen!«
Vor mir standen zwei Gangster wie aus einem Bilderbuch. Sie hatten die Mantelkragen hochgeschlagen, die Hüte in die Stirn gezogen und trugen schwarze Strumpfmasken über den Gesichtem.
»Was haben Sie mit Briggs gemacht?«, fragte der Wortführer.
»Nichts. Ich wollte ihn besuchen und fand den Laden so, wie er jetzt aussieht.«
»Sie wollen also behaupten, jemand anders sei vor Ihnen dagewesen und habe das
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