0247 - Kein Mörder träumt vom Todesstuhl
sich über eine Anzahl Papiere auf seinem Schreibtisch und tat so, als ob es keinen G-man Jerry Cotton gäbe.
Na schön, dachte ich. Ich habe die Absicht gehabt, es auf die sanfte Tour zu erledigen, aber wenn er nicht anders wollte, so konnte ich auch dienstlich werden.
»Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, Mr. Briggs, dass ich als Mitglied der Bundespolizei hier anwesend bin. Mrs. Armstrong ist aufgrund der neuesten Ermittlungen nicht, wie die Staatsanwaltschaft annahm, das Opfer eines Familienzwistes geworden, sondern von Gangstern ermordet worden. Und dieser Mord hängt aller Wahrscheinlichkeit nach mit den illegalen Geschäften zusammen, die ihr vor vierzehn Jahren erschossener Mann betrieb. Die Bundespolizei hat bei den Ermittlungen auch den Inhalt des Testaments in Betracht gezogen. Ich verlange diesen zu hören und das Schriftstück, falls mir das erforderlich erscheint, einzusehen.«
Die ganze Gesellschaft starrte mich an, als ob ich ihr etwas Ungehöriges und Neues erzählte. Mr. Briggs putzte seine Brille und erklärte: »Ich weigere mich, das Testament in Anwesenheit eines Unbeteiligten zu öffnen und zu verlesen. Das würde gegen meine Schweigepflicht verstoßen.«
»Nun gut«, sagte ich, und zog eine richterliche Verfügung aus der Tasche, die ich mir vorsorglich besorgt hatte. »Dann beschlagnahme ich dieses Testament von Amts wegen.«
Jetzt begannen plötzlich alle auf einmal zu reden. Alice und Hazel protestierten lautstark, und Mr. Briggs drohte mit gerichtlichen Maßnahmen und Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Nur Esther schwieg, und ich glaubte ein Lächeln zu bemerken, das um ihre Mundwinkel spielte.
Da meldete sich jemand, den ich bisher überhaupt nicht beachtet hatte.
Mr. Hubert saß gewissermaßen im zweiten Rang an der Wand und so, dass ich ihn beim Eintreten gar nicht gesehen hatte.
»Ich glaube, wir streiten uns um des Kaisers Bart. Wenn die Bundespolizei den Inhalt des Dokuments kennenlernen möchte, so sehe ich eigentlich keinen Grund, warum Sie sich weigern sollten, Mr. Briggs. Es dürfte ja wohl vorausgesetzt sein, dass dieses Testament keine Verfügungen enthält, die gegen das Strafgesetz verstoßen. Meiner Ansicht nach ist Mr. Cotton vollständig im Recht.«
Briggs brauchte Zeit, um sich von dieser Überraschung zu erholen.
»Nun, denn… Selbstverständlich setze ich voraus, dass er das, was er erfährt, nur in seiner Eigenschaft als Beamter der Bundespolizei verwendet. Es wäre unzulässig, wenn er versuchte, Bestimmungen des Testaments anzufechten, um einer einzelnen Person Vorteile zu verschaffen.«
»Sparen Sie sich Ihre langen Reden, Mr. Briggs«, unterbrach ich ihn, »was ich zu tun und zu lassen habe, weiß ich selbst ganz genau.«
Da die Feierlichkeit der Zeremonie nun einmal gestört war, beschränkte sich der Anwalt auf das absolut Notwendigste. Er prüfte die Siegel, griff zum Brieföffner und schnitt den Umschlag auf.
***
Mrs. Judith Armstrong hatte ihre letztwillige Verfügung in gestochener Handschrift selbst geschrieben und bemerkenswert sachlich abgefasst. Sie bezifferte ihr Vermögen auf anderthalb Millionen.
Dieser Betrag sollte zu gleichen Teilen zwischen ihrer Schwiegertochter Alice, ihrem Enkel Elmer und ihrer Enkelin Esther aufgeteilt werden.
Louis, der Diener, sollte ein Legat von fünfzigtausend Dollar erhalten.
Was jetzt kam, war mir absolut unverständlich. Mrs. Armstrong verfügte, dass die Kassette aus ihrem Schreibtisch und der Schlüssel dazu an den Prokuristen der Maklerfirma Armstrong & Co., Mr. Fred Hubert, ausgehändigt werden solle. Mr. Hubert habe den Auftrag, die darin befindlichen Wertgegenstände bestens zu verkaufen und den daraus erlösten Geldbetrag an Rechtsanwalt Briggs zu zahlen. Dafür solle Mr. Hubert eine Provision von zwanzig Prozent des Erlöses sowie die Maklerfirma erhalten.
Der Erlös des Inhalts der Kassette sei in zwei gleiche Hälften zu teilen, deren eine an den Rechtsanwalt Briggs für geleistete Dienste, und die zweite Hazel Armstrong als Entgelt für ihre Arbeit im Haushalt gehe.
Ich muss sagen, dass ich genauso ein dummes Gesicht machte wie alle anderen. Und dann kam mir eine Erleuchtung.
»Wann hat Mrs. Armstrong diese Verfügung getroffen?«, fragte ich.
»Das Datum lautet: der 21. Dezember.«
»Das heißt, also vor ungefähr zwei Monaten«, sagte ich. »Damals muss die Kassette noch bedeutende Werte enthalten haben. Als wir sie fanden, war sie leer. Die Frage ist nur, hat Mrs. Armstrong in der
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