0247 - Vampir-Terror
Muster, das jede Individualität ad absurdum führte. Jedes der Gebäude verfügte über einen kleinen Rasen vor der Eingangstüre. Die Grashalme waren mit millimeterhafter Genauigkeit getrimmt.
Aus dem Obergeschoßfenster des Hauses fiel plötzlich Licht. Die Frau ging zu Bett. Varnae kannte ihre Gewohnheiten genau. Er kannte sie im Schlaf, denn er würde nie vergessen, was seine menschliche Seite mit dieser Frau erlebt hatte -wie sehr sie ihn gedemütigt hatte.
Jetzt konnte er sich rächen!
Die Persönlichkeit Varnaes und die Persönlichkeit des Mannes waren in den vergangenen Tagen immer mehr miteinander verschmolzen. Zu fast gleichen Teilen verfügten sie über ihre Erinnerungen, und mit jedem neuen Opfer verflocht sich ihr Ich immer stärker. Bald würde es keine Unterscheidung mehr zwischen ihnen geben. Dann würde Varnae der Vampir gleichzeitig auch Varnae der Mensch sein.
Das Königreich des Vampirs würde kommen, und eine neue Ära des Grauens beginnen.
Seine menschliche Seite hatte die Erfolge ihrer nächtlichen Sreifzüge mit wildem Triumph verfolgt. Angst und Schrecken herrschten in den Straßen.
Die vielen Polizisten, die jetzt Nacht für Nacht in allen Gassen und Straßen Oxfords unermüdlich patroullierten, schreckten Varnae nicht ab. Allen diesen Bemühungen zum Trotz wäre es ihm leicht gefallen, sich auch in dieser Nacht ein Opfer zu suchen. Aber die Vampirseite hatte an dem fast krankhaften Rachebedürfnis der menschlichen Seite Gefallen.
Das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, so sagten die schwächlichen Tageswesen doch, sinnierte Varnae. Er bleckte die Reißzähne. Es wurde Zeit.
Wie ein lebendiggewordener Schatten huschte er über das schräge Dach, und kletterte dann mit echsenhafter Gewandtheit an der Backsteinwand hinunter. Seine Klauen und Zehen fanden in dem kleinsten Spalt Halt und hielten den gigantischen Körper mit spielerischer Leichtigkeit.
Mit zwei Sätzen überquerte er die Straße und übersprang den niedrigen Holzzaun. An der verschlossenen Haustüre - verharrte er einen Moment. Mit seinen dämonischen Sinnen lauschte er angespannt. Der fließende, unverkennbare Rhythmus der Nacht enthüllte keinerlei Bedrohung.
Aber wer sollte auch ihn bedrohen?
Varnae richtete seine Aufmerksamkeit auf das Haus. Die Frau war wie vermutet alleine.
Ein krallenbewehrter Finger malte ein kompliziertes Zeichen über das Schloß. Lautlos schwang die Türe nach innen.
In den letzten Tagen hatte der Vampir viel über die Gewohnheiten und Gebräuche der Menschen gelernt. Sie hatten sich in vielerlei Dingen verändert seit den Tagen, als sie noch in den Höhlen hausten.
Nur in einem Punkt hatten sie sich nicht verändert: sie konnten ihm nicht das Wasser reichen.
Varnae betrat das Haus, und die Türe schloß sich wieder hinter ihm. Er stand in einem kleinen Flur. Sofort fanden seine nachtsichtigen Augen die Treppe, die ins Obergeschoß führte. Ohne zu zögern stieg er hinauf.
Licht ñel oben aus einer halb offen stehenden Türe auf die obersten Treppenstufen.
Varnae preßte sich gegen die Wand.
Kleiderrascheln ertönte aus dem Zimmer, dazu das melodiöse Pfeifen der Frau. Dann das Quietschen einer Kleiderschranktüre.
Die Nähe des menschlichen Wesens machte Varnae rasend. Nur mühsam beherrschte er sich.
Das Pfeifen brach ab und die Frau entfernte sich von der Tür.
Varnae betrat das Schlafzimmer.
Sein Opfer kehrte ihm den Rücken zu. Es stand vor einem hohen Spiegel und ließ die aufgesteckten, blonden Haare fallen. Die Hand des Vampirs griff nach der Tür und knallte sie mit Schwung zu.
Erschrocken wirbelte die Frau herum. Ihre Augen weiteten sich, als sie das Monster sah, das plötzlich vor ihr stand. Ihr Mund öffnete sich zu einem gellenden Entsetzensschrei. Aber sie konnte ihn nicht mehr ausstoßen. Ein Blick der kleinen, roten Vampiraugen nahm ihr jeglichen Willen.
Amüsiert knurrte der Vampir: »Kennst du mich nicht mehr?«
Die wie eine Statue dastehende Frau reagierte nicht. Varnae lockerte seinen geistigen Griff etwas. Die Frau blinzelte, als würde sie erwachen. Dann schüttelte sie voller Angst den Kopf.
»Wie dumm von mir! In dieser Gestalt kannst du mich gar nicht erkennen! Wie konnte ich das vergessen?« Nachsichtig hob Varnae eine Kralle.
»Warte! Du sollst wissen, wer dein Mörder ist!«
Der Vampir näherte sich ein paar Schritte, dabei veränderten sich seine Gesichtszüge. Das bestialische Aussehen bildete sich zurück, um einem menschlichen Antlitz
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