0248 - Gatanos Galgenhand
erreichte, war es zu spät. Da hing er bereits leblos in der Schlinge, die an dem starken Lampenhaken in der Decke befestigt worden war.
Trotzdem versuchte ich zu retten, was noch zu retten war. Jagte zurück in das nächste Zimmer, fand dort einen Stuhl und baute ihn neben der Leiche auf.
Ich kletterte hinauf und schaute in sein Gesicht.
Nein, da war nichts mehr zu machen. Der Henker kannte sein Geschäft.
Er ließ seinen Opfern nicht die Spur einer Chance.
Ich atmete ein paarmal tief durch. Danach löste ich die Schlinge und ließ die Leiche zu Boden sinken.
»Er ist tot, nicht?« In meinem Rücken hörte ich die Stimme der Wahrsagerin.
»Ja.«
»Ich werde mich um Judy kümmern.«
Es war gut, daß Tanith so reagierte. Auch ich wollte nicht, daß Judy die Leiche sah. Diese Mädchen aus dem Showgeschäft reagierten oft ein wenig überspitzt, eine Panik konnte ich nicht gebrauchen.
Das Haus besaß genügend Zimmer. Ich öffnete die nächstliegende Tür und schleppte die Leiche dort in den Raum. Hinter der Tür ließ ich sie liegen.
Danach ging ich wieder auf den Gang.
Ich faßte die Schlinge an. Die war existent und keine Geisterscheinung.
Und wie ich erfahren hatte, konnte der Henker so viele Schlingen herstellen, wie er benötigte. Was wir erlebt hatten, war erst der Anfang.
Er würde weiter seinen Terror verbreiten und ihn auch ausdehnen. Das durfte ich auf keinen Fall zulassen.
Wichtig war der Keller.
Hier mußte sich das große Drama abspielen, da lief das Finale Wenn ich den Henker stellen wollte, dann dort unten. Tanith sollte nicht mitgehen, sondern sich um Judy kümmern. Obwohl die Zeit drängte, ging ich noch einmal zurück in das Zimmer, wo sich die beiden Frauen aufhielten und redete mit Tanith.
»Ich gehe nach unten.«
Sie nickte nur, während Judy fragte, was losgewesen sei.
»Nichts, Judy, Sie brauchen keine Angst zu haben.«
Sie schaute uns an und schüttelte den Kopf. »Nein, ihr lügt. Ihr lügt alle. Ich will es sehen!« Hastig drehte sie sich um und rannte aus dem Raum.
Tanith schaute mich fragend an. »Ich habe die Leiche verschwinden lassen«, sagte ich leise.
Judy Jackson kam wieder zurück. Ihr Gesicht zeigte einen verstörten Ausdruck. Dann hob sie die Schultern und ließ sich auf einem Stuhl nieder, wo sie das Gesicht in beide Hände vergrub und von uns überhaupt keine Notiz nahm.
Ich beugte mich zu Tanith herunter. »Wo befindet sich der Kellerschlüssel?«
»Ich gebe ihn dir.« Wir mußten den Raum verlassen und gingen in die Küche. »Der Keller ist sowieso offen. Ich meine, der Hauptkeller. Bei den einzelnen Verschlägen sieht es anders aus.«
Ich hielt den Schlüssel in der Hand und fragte weiter. »Was ist denn mit dieser Nordseite? Liegt dort etwa der Keller unserer Lucille?«
Tanith schaute mich an. »Ja, John, ja. Jetzt fällt es mir wieder ein. Da muß der Henker liegen.«
»Na denn…« Ich hob die Schultern und fragte nach einer Schaufel.
»Die befindet sich auch im Keller.«
»Dann kann ja nichts schiefgehen.« Ich nickte Tanith noch einmal zu und verließ sie. Hier oben hielt mich nichts mehr. Der Keller war jetzt wichtiger…
***
Tanith hielt sich noch für eine Weile in der Küche auf. Sie überdachte die gesamte Lage und kam zu dem Entschluß, daß die Gefahr noch längst nicht gebannt war. Der Geist des Henkers lauerte nach wie vor, und er würde seine Chance bekommen. Da war sie sicher.
Sie öffnete die Kühlschranktür, holte Limonade hervor und schenkte sich ein. In langsamen Schlucken trank sie das kalte Zeug und fühlte sich ein wenig erfrischt.
Gern wäre sie mit in den Keller gegangen, sie sah allerdings auch ein, daß sich jemand um Judy Jackson kümmern mußte. Vielleicht gelang es ihr, sie zu überreden, das Haus zu verlassen. Entschlossen stellte sie das Glas in die Spüle und machte kehrt. Die Distanz zu dem Raum, wo Judy wartete, war schnell überbrückt. Tanith stieß die Tür auf, betrat das Zimmer und blieb überrascht stehen. Sie drehte den Kopf nach links und nach rechts, aber der erste Eindruck blieb.
Judy war verschwunden!
Die Wahrsagerin überwand die Überraschung schnell. Sie reagierte auch nicht überstürzt, sondern sagte sich, daß es zwei Möglichkeiten gab.
Entweder war Judy wirklich gegangen, was gut wäre und sogar wahrscheinlich war, oder aber sie hatte nur die Wohnung und Etage verlassen, um in den Keller zu laufen.
Das wäre fatal gewesen.
Tanith wollte nicht glauben, daß Judy so reagierte. Sie mußte
Weitere Kostenlose Bücher