0248 - Gatanos Galgenhand
möglichst lautlos meinem Ziel. Drei Schritte benötigte ich. Leider knirschte etwas unter meinen Sohlen. Es war der Dreck und der Staub, der sich auch hier abgelagert hatte.
Neben dem offenen Rechteck blieb ich stehen. Den Mund hielt ich geöffnet und atmete nur noch sehr flach. Ich blickte auf die helle Holztür, die im rechten Winkel zur Mauer stand.
Und ich hörte das Weinen.
Es war ein leises Geräusch, voller Angst und Qual ausgestoßen, mehr ein Wimmern.
Judy Jackson!
Sie hatte den Unhold befreit, und nun hielt er sie in seinen Krallen. Die Beretta zog ich aus der Halfter, spannte noch einmal meinen Körper und sprang dann vor. Gleichzeitig drehte ich mich nach rechts, so daß ich in den Keller hineinblicken konnte.
Viel sah ich nicht, dafür war es zu dunkel. Da war eine offene Grabstelle zu erkennen, und daneben türmte sich ein dunkler Schatten in die Höhe.
Es war aufgeworfene Erde, die dort einen Hügel bildete. Judy hatte das alte Grab geöffnet. Sie stand jetzt darin, aber sie wurde gehalten. Hinter und neben ihr wuchs ein unheimlich anzusehender Schatten in die Höhe, der alte Henker.
Ich schauderte zusammen, als ich ihn bemerkte. Obwohl ich nur seine Umrisse sah, konnte ich mir gut vorstellen, welch eine Bestie mir da gegenüberstand.
Sollte ich schießen?
Nein, das konnte ich auf keinen Fall riskieren, denn er hielt eine Geisel fest, und die Lichtverhältnisse waren für einen gezielten Treffer zu ungünstig.
Was also tun?
Er kletterte aus dem offenen Grab. Seine Bewegungen wirkten ungelenk, dies konnte ich trotz der miserablen Lichtverhältnisse sehen, aber er ließ Judy nicht los, die jetzt wieder anfing zu wimmern, denn der untote Henker hielt sie fest umklammert.
Ich bekam es mit der Angst zu tun. Weniger um mich, als um Judy, denn die Reaktionen der Bestie waren einfach nicht vorauszuberechnen.
Ich wich zurück.
Der Henker sollte dies als ein Zeichen werten. Ein Indiz dafür, daß ich ihn als Sieger anerkannte.
Und er verließ sein Grab.
Schwer stöhnte und ächzte er. Grauenvolle Geräusche, die ebensogut in der Tiefe der Hölle entstanden sein konnten, begleiteten diesen Gang aus dem Grab.
Schaurig hallte es mir entgegen, sogar ein hohles Pfeifen drang aus dem Mund.
Ich war wieder in den Gang zurückgegangen, befand mich schon innerhalb des Lichts, als Gatano mit seiner menschlichen Beute den Kellerraum verließ.
Judy hing wie eine Puppe in seinem Griff. Mit der linken Hand hielt er sie umklammert, die rechte hatte er frei.
Jetzt sah ich ihn zum erstenmal.
Er war eine grauenvolle Kreatur. Ein widerliches Scheusal, ein Abziehbild der Hölle, Günstling des Teufels, und was immer man zu ihm sagen konnte.
Der Körper war nicht in dem Maße verwest, wie man hätte annehmen können. Fetzen von einem alten Totenhemd hingen noch an seiner klebrigen, grauen Haut. Das Gesicht war eingefallen. Über die Knochen spannte sich dünn die Haut, ebenso dünn und strähnig waren die völlig verfilzten Haare.
Aber grün schillerte die Galgenhand.
Hand und Arm sahen schuppig aus. Sie erinnerten mich an die Gliedmaßen einer Echse. Und ich sah auch die langen, spitzen Nägel, die scharf wie Dolche sein konnten.
Schlurfend bewegte er sich durch den Keller. Auch er befand sich jetzt im Gang, so daß er von dem Lichtschein erfaßt werden konnte. Der Mund bildete in seinem Gesicht ein tiefes Loch. Er erinnerte mich an eine Höhle.
Und das Mädchen?
Judy war vor Angst starr. Sie konnte sich überhaupt nicht bewegen. Ihr Gesicht war nur mehr eine Maske des Schreckens. Da lebte nichts mehr, die Augen schienen in den Höhlen eingefroren zu sein, nur die Lippen zitterten noch.
Wo wollte er hin?
Er mußte das Kreuz sehen, das ich in meiner linken Hand trug. Ein Kreuz, das das Gute symbolisierte, und es mußte eigentlich seinen Vorwärtsdrang stoppen.
Aber er ging weiter.
Mich machte er damit unsicher. Was hatte diese Bestie vor? Ließ sie sich auch durch das Kreuz nicht stoppen?
Und da sah ich etwas Schlimmes. Plötzlich löste sich sein Arm vom Körper.
Es war der grüne, der schuppige. Seine Galgenhand öffnete sich dabei so weit, daß sie eine Klaue bildete, die meinen Hals umfassen konnte.
Er wollte mich auf diese Art und Weise erwürgen.
Ich hielt ihm das Kreuz entgegen. Nur die Hand starrte ich an. Langsam nur kam sie näher. Ich wurde dabei an Desteros Würgehand erinnert, die ebenfalls aus dem Jenseits erschienen war und mich damals hatte töten wollen.
Aber das Kreuz mußte es
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