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0249 - Die Stunde der Bestien

0249 - Die Stunde der Bestien

Titel: 0249 - Die Stunde der Bestien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Stunde der Bestien (2 of 2)
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Hände, die reglos im Schoß lagen, waren zwar groß und knochig, aber von einer beinahe durchsichtigen Blässe. Das Gesicht des Mannes wies unerwartet durchgeistigte Züge auf. Dichtes, silbergraues Haar war straff nach hinten gekämmt.
    »Guten-Tag, Mister Elldon«, sagte der Mann, ohne sich in seinem Lehnstuhl zu bewegen. »Ich freue mich, dass Sie gekommen sind. Mein Name ist Sinsdale, Roger Sinsdale.«
    »Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, Mister Sinsdale.«
    »Ich freue mich über jeden Besucher«, erwiderte Sinsdale. »Nehmen Sie Platz, Mister Elldon. Was trinken Sie? Kaffee? Oder Wein? Schnaps haben wir leider nicht im Hause.«
    »Für eine Tasse Kaffee wäre ich dankbar«, nickte Elldon. »Alkohol bitte nicht. Ich muss ja nachher noch den weiten Weg zurück nach Bloomington fahren.«
    »Wenn Sie keine Eile haben, steht Ihnen ein Gästezimmer zur-Verfügung, Mister Elldon.«
    »Aber nein, vielen Dank. Mit dem Wagen ist es ja gar nicht so schlimm. Früher, als man das alles noch mit dem Pferd bewältigen musste, da hätte ich Ihr Angebot sicher angenommen. Um zur Sache zu kommen. Sie wissen, dass ich Schriftsteller bin?«
    »Ja, Sie schrieben es mir.«
    Eine Weile plätscherte das Gespräch hin und her. Sinsdale war zu höflich, um seinen unerwarteten Gast gleich nach seinem Begehr zu fragen, und Elldon wollte nicht den Eindruck erwecken, als Wolle er mit der Tür ins Haus fallen. Erst nach einiger Zeit brachte er die Geschichte an, die er sich unterwegs zurechtgelegt hatte. Er sei, wie ja schon gesagt Schriftsteller und beabsichtige, ein Buch über Indiana zu schreiben, über die Viehzüchter und die Farmer. Nun reise er kreuz und quer durch das Land, um Stoff und Eindrücke zu sammeln.
    »Wird das nicht eine schwierige Arbeit werden?«, fragte Sinsdale. »Ein Buch über ein ganzes Land zu schreiben - ich weiß nicht, ich stelle mir das nicht ganz einfach vor.«
    »Das ist es gewiss«, gab Elldon zu. »Man kann auch vorher noch herzlich wenig über die Möglichkeiten sagen, solange man nicht seinen Soff zusammen und geordnet hat.«
    »Das leuchtet mir ein. Ich darf wohl annehmen, dass Ihr Besuch in einem Zusammenhang mit Ihren schriftstellerischen Plänen steht, Mister Elldon?«
    »So ist es, Sir. Ich hörte, dass die Sinsdales zu einem der ältesten Geschlechter Indianans zählen?«
    »Da hat man Ihnen die Wahrheit gesagt, Mister Elldon. Mein Urgroßvater kam nach Indiana…«
    Gut zwei Stunden lang erkundigte sich Elldon in schier unerschöpflicher Geduld nach den Familienverhältnissen, der Geschichte und den Besitzverhältnissen, der Sinsdales. Seine Fragen wurden mit größter Bereitwilligkeit beantwortet. Offenbar bereitete es Mister Sinsdale keine geringe Freude, einmal über Herkunft, Geschlecht und Wirksamkeit der Seinen sprechen zu können.
    Schließlich kam Elldon auf den Krieg zu sprechen.
    »Waren Sie Soldat, Mister Sinsdale? Ich meine, im Weltkrieg?«
    Über Sinsdales Gesicht flog ein leichter Schatten. Er schüttelte den Kopf.
    »Nein«, gab er zu. »Ich war kein Soldat. Noch bevor der Krieg ausbrach, besser: bevor Amerika in den Weltkrieg verwickelt wurde, hatte ich meinen Unfall.« Eine knappe Geste deutete auf die verblichene Decke, die seinen Unterleib und die Beine verhüllte. Elldon beugte sich vor.
    »Mister Sinsdale«, sagte er in äußerster Höflichkeit, »ich weiß gewiss, dass man an solche Dinge lieber nicht rühren sollte. Aber würden Sie mir trotzdem gestatten, mich danach zu erkundigen? Gerade die besonderen Schicksale sind es doch, die den Leser fesseln. Seine Anteilnahme wachrufen und vielleicht seine Bereitschaft zum Mitempfinden im täglichen Leben.«
    Sinsdale sah sinnend vor sich hin. Schließlich zuckte er die Schultern, während ein fast verlegenes Lächeln um seine Mundwinkel schwebte.
    »Warum sollte man eigentlich nicht darüber sprechen«, murmelte er. »Es ist ja ohnedies kein Geheimnis. In Bloomington und auch hier in der Umgebung kennt jeder meine Geschichte…«
    Es war zu jener Zeit, da in Europa bereits der wahnsinnige Krieg tobte. In Indiana freilich spürte man noch nicht viel davon. Die Getreidepreise waren ein wenig angestiegen, aber das war für die Farmer eher ein erfreulicher Umstand als eine Plage des Krieges.
    Roger Sinsdale war ganze dreiundzwanzig Jahre alt. Sein Vater lebte noch. Es bestand kein gutes Verhältnis zwischen Vater und Sohn. Der alte Sinsdale war Farmer mit Leib und Seele. Er stand mit den Hühnern auf und ging pünktlich um neun zu

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