0249 - Mein Grab in der Teufelsschlucht
vergrub ich in den Manteltaschen.
»Wohin, Sir?« erkundigte sich der Driver, als er die Trennscheibe zurückgeschoben hatte.
»Bitte?« Ich schreckte hoch.
»Wohin soll ich Sie fahren?«
»Ach so, ja. Zum Flughafen…«
***
Als Sheila und Bill Conolly den Fahrstuhl verließen und die Hotelhalle betraten, da schwang ihnen ein Hauch von Weihnachten entgegen. Rechts neben der Rezeption stand ein bis zur Decke reichender, geschmückter Tannenbaum, an dem die elektrischen Kerzen bereits leuchteten.
Aus dem großen Speiseraum vernahmen sie das Klappern des Geschirrs, dort wurde abgeräumt, und die beiden Conollys, die ihren Sohn Johnny zu Bett gebracht hatten, wollten wie jeden Abend noch einige Stündchen in netter Runde an der Hotelbar sitzen und ein wenig plaudern sowie entspannen.
Sie hatten einen harten Tag hinter sich. Hart insofern, wenn man vom Skilaufen sprach. Bill und Sheila waren die Pisten hinuntergejagt, während sich Johnny in einem Ski-Kindergarten vergnügte.
Beide genossen den Urlaub in der Schweiz, und beide sprachen auch genügend deutsch, um sich verständlich zu machen und einer Unterhaltung folgen zu können.
Neben dem Tannenbaum führten die drei Stufen einer breiten Treppe zum Aufenthaltsraum und zur Bar hoch, wo Georgette Clavell, die Bardame, ihr Regiment führte.
Die Conollys hatten sich locker angezogen. Leichter Bieranzug, nannte Bill dies immer. Sheila trug einen roten Pullover, der weiße Querstreifen zeigte, und eine helle rote Hose aus dünnem Leder. Ihr Haar hatte sie ausgekämmt. In weichen Wellen fiel es auf die Schultern.
Bill war ähnlich angezogen. Seinen Pullover hatte er auch übergestreift, nur trug er keine Leder-, sondern eine Cordhose.
»Hast du Durst?« fragte er seine Frau.
»Noch nicht.«
»Aber ich. Die Luft hier oben in Lenzerheide ist verflixt trocken, kann ich dir sagen.«
Sheila lachte. »Das sind deine üblichen Ausreden. Ich möchte mal wissen, wo du keine trockene Luft findest.«
»Laß mir doch das Vergnügen.«
»Ich sage auch nichts.«
Der Aufenthaltsraum mit den bequemen braunen Ledersesseln und die Bar befanden sich auf einer Ebene. Die Bar allerdings war durch eine Holzpergola von dem übrigen Raum getrennt, so daß die Gäste das Gefühl hatten, für sich zu sitzen.
Sie bildete ein Viereck, das an der hinteren Längsseite mit der Wand abschloß.
Und innerhalb des Vierecks regierte Georgette. Sie knipste ihr bestes Lächeln an, als sie die Conollys erkannte. Beide fanden sich sympathisch, und Georgette, die vor Jahren einmal eine berühmte Chansonette und Tänzerin gewesen war, erzählte gern von diesen Zeiten. Sie hatte in den beiden Conollys aufmerksame Zuhörer.
Ihr Alter war schlecht zu schätzen. Die 50 hatte sie überschritten, bewegte sich jedoch mit der Leichtigkeit eines jungen Mädchens. Ihr kam das lange Tanztraining zugute.
An diesem Abend trug sie ein eng anliegendes, langes Kleid, das eine Perlenstickerei aufwies. Das tizianrote Haar lag wohlfrisiert um ihren Kopf und unter den Gläsern der modischen Brille waren ihre Augen fragend auf die neuen Gäste gerichtet.
Bill Conolly schob seiner Frau den Stammhocker zurecht, und sie nahm Platz. Der Reporter ließ sich auf dem Hocker neben ihr nieder, rieb sich die Hände und bestellte eine Flasche Pils.
»Und Sie, Madame?« Georgette sagte immer Madame. Sie lächelte Sheila dabei an.
»Ich habe mich für Kaffee entschieden.«
»Sehr gut, ein Pils, ein Kaffee.« Bevor sich die Bardame an die Arbeit machte, warf sie noch einen Blick auf das Fenster. Es befand sich rechts von der Bar.
Viel war nicht zu sehen. Draußen lag zwar Schnee, doch die Dunkelheit hatte ihre langen Schatten über die weißen Flächen ausgebreitet. Von den Bergen her schimmerten hin und wieder Lichter.
Die Häuser des Dorfes lagen ein wenig verstreut. Zahlreiche Häuser waren auch an den Hängen gebaut worden, die Lichter der Weihnachtsbäume waren gut zu sehen.
Georgette schenkte das Glas voll und fragte: »Wie war denn der heutige Tag?«
»Anstrengend«, erwiderte Bill.
»Wieso?«
»Wir haben uns zu regelrechten Pistenschrecks entwickelt.«
»So, meinen Sie das?« Georgette lachte. »Ja, das kann ich mir vorstellen.« Sie bückte sich und stellte die Kaffeemaschine an. »Und der Kleine? Schläft er?«
»Das wollen wir hoffen«, sagte Sheila.
»Gefällt es ihm denn?«
»Und wie. Er möchte gar nicht mehr weg.« Die Antwort gab Sheila, während Bill einen ersten langen Schluck nahm und dabei die
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