025 - Die Spinne
behielt den gespannten Ausdruck bei.
Zweifellos wäre er Teddy gar nicht aufgefallen, wenn der nicht so eingehend alle Gesichter studiert hätte. Und die Beleuchtung in Nachtlokalen gibt den Zügen eines Menschen ein ganz besonderes Gepräge, wie man es sonst nirgendwo wahrnehmen kann. Schon oft hatte er festgestellt, dass man an solchen Orten auf einem Menschenantlitz den Widerschein von Gefühlen entdecken konnte, die sonst sorgsam verborgen wurden.
Die Gäste tanzten weiter. Aber der Tanz sollte nur die Pause auslullen. Schließlich ging man wegen der Darbietungen in ein Nachtlokal.
Teddy hatte eine reizende Brünette aufgefordert. Als er mit ihr über die Tanzfläche glitt, stellte er wieder einmal fest, dass die Beleuchtung des Roten Dschungel zwar Gefühle bloßlegen konnte, die Spuren des Alters aber gnädig verbarg. Die Schöne hatte gut und gern ihre fünfzig Jährchen drauf. Allerdings ließ er sich nichts anmerken und war die Aufmerksamkeit in Person. Zwischendurch warf er immer wieder einen Blick auf „seine beiden Typen.“
Endlich war der Tanz vorbei und die Gäste wieder auf ihren Plätzen. Teddy stand in der Mitte zwischen Bar und Podium. Von da aus konnte er Jose Larrue und den Unbekannten beobachten.
Eine vom Mikrophon hoffnungslos verzerrte Frauenstimme kündigte jetzt die schöne Elna mit ihrem Spinnentanz an.
Ein Schauder lief durch die Reihen der Gäste. Nach Teddys Meinung mussten das Stammkunden sein, welche von der schönen Mulattin besonders beeindruckt waren.
Das Licht erlosch beinahe. Einzig und allein ein purpurner Lichtkegel war auf das winzige Podium gerichtet. Von unsichtbaren Nylonfäden gehalten glitt ein überdimensionales Spinnennetz vom Schnürboden herunter und bildete eine Art durchsichtigen Wall.
Dann kam Elna.
Teddy war betroffen von ihrer Schönheit. Schon auf dem Bild hatte er sie sehr anziehend gefunden, aber das Original war noch tausendmal verwirrender. Eng in eine rote Samttunika gehüllt, welche ihre herrliche Figur ahnen ließ, wirkte sie wie ein Standbild. Ihr Gesicht war sachkundig geschminkt und ihre schwarzen Haare in Zöpfe geflochten, die wie Schlangen herunterfielen. So wirkte sie absolut einmalig und außergewöhnlich.
Gewiss war das Mädchen eine Mischung zweier Rassen, aber ihre Erscheinung beschwor vor allem die Tropen, den Duft der heißen Länder herauf, wo in schwülen Nächten der Taifun droht und Orchideen unter sintflutartigen Regengüssen dahinsterben.
Die Kapelle spielte eine fremdartige, zeitweilig ohrzerreißende Melodie, untermalt von einem diskreten, aber schrillen Tam-Tam. Langsam begann Elna ihren Tanz, wobei sie gekonnt die rote Samthülle abrollte. Und wie ein Blitz traf Teddy der Gedanke, dass sein erster Vergleich nur ein rasch verwehender Eindruck war. Nach und nach beschwor das wunderbare Geschöpf nämlich etwas ganz anderes herauf. Was war es nur?
Es war genau der Titel ihres Tanzes!
Mit vollendeter Grazie bewegte sie sich hinter dem Riesennetz und liess langsam eine Hülle um die andere fallen.
Die Zuschauer hielten den Atem an. Teddy las auf den Gesichtern der Männer ihre Wünsche, ihre Verwirrung. Die anwesenden Frauen dagegen träumten zweifellos von der Macht, die eine der ihren auf Männer ausüben konnte.
Eine der ihren, dachte Teddy. Ja, sicher, wenn sie wirklich eine Frau ist wie alle anderen.
Und Jose Larrue verschlang Elna mit den Augen. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr, das war Silvias Mann, und er war nur wegen Elna da.
Aber warum, um alles in der Welt, hat er denn die Vogelspinne mitgenommen?
Es machte Teddy sehr zu schaffen, dass er nicht hatte sehen können, ob das höchst gefährliche Tier noch in seinem Tragkasten war oder nicht.
Einen Augenblick lang beobachtete er Larrue, ohne Elna allzu sehr aus den Augen zu lassen, denn ihr Spiel fesselte ihn in höchstem Masse. Er wollte nicht nur so wenig wie möglich von dieser überragenden Darbietung versäumen, sondern hoffte auch, bei dieser außergewöhnlichen Frau den Schlüssel zu dem rätselhaften Betragen des jungen, viel versprechenden Wissenschaftlers zu finden. Warum nur vernachlässigte Jose Larrue seine Frau und seine Arbeit und verirrte sich in die Nachtlokale von Montmartre?
Elna war nun beinahe nackt. Plötzlich erklang ein Gong, und Elna ließ sich in die roten Tücher sinken.
Dann stand sie wieder aufrecht, und ein Schaudern überkam die Zuschauer, als sie hinter den riesigen Maschen des Netzes nackt dastand. Ihr herrlicher Körper
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